Der 'Sonnenwirt’ Christian Friedrich Schwan, die Bremerin Gesche Gottfried oder der 'Totmacher’ Fritz Haarmann haben aufsehenerregende Morde verübt, die in Literatur und Film fortleben. Von den 'Histoires tragiques’ des Barock bis zu sensationellen Gerichtsreportagen und 'Tatorten’ unserer Zeit erfreut sich kaum ein Stoff größerer Beliebtheit als authentische Verbrechensfälle. Mit tatsächlichen Schauplätzen des Schreckens können es erfundene Kriminalgeschichten jedenfalls kaum aufnehmen.
Exemplarische Analysen von Kriminalfallgeschcihten vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart widmen sich diesem fast naturgesetzlichen zusammenhang von Ereignis und Interesse. Auf welche Weise treten historischer Fall und seine künstlerische Darstellung in ein kreatives Spannungsverhältnis? Wie werden Details der 'wahren Geschichte’ zugunsten einer besseren Wirkung verändert? Welche Anpassungen an epische, lyrische, dramatische oder filmische Genres sind erforderlich? Anhand solcher Fragen wird der Versuch unternommen, Kriminalfallgeschichten als ein bislang unterschätztes Genre zu erschließen, in dem sich Kriminalpsychologie und Jurisprudenz mit Literatur verbinden.
Spis treści
– Editorial
– Hans-Joachim Jakob: Eine Historie wandert durch die Jahrhunderte. Fall und Vorlage für Georg Philipp Harsdörffers Erzählung 'Die Großmüthige Rache’
– Peter-Henning Haischer: Der Justizmord als schöne Kunst betrachtet.
Christian Felix Weißes Drama 'Der Fanatismus, oder: Jean Calas’
– Gaby Pailer: Verführung und wahre Gewalt. Der Fall la Chapelle / Birnbaum
und seine Dramatisierung durch Christiane Karoline Schlegel
– Holger Dainat: Aufrichtige Bekenntnisse eines Diebs von Profession.
Johann Ulrich Schölls Biografie des Konstanzer Hans
_ Alexander Košenina: Aufklärung in Verbrechensballaden (Schiller, Gleim, Bürger, Chamisso)
– Michael Niehaus: Gesche Gottfried. Eine Giftmischerin und wir
– Claus-Michael Ort: Fallgeschichten im 'Sittengemälde’. August von Haxthausens 'Geschichte eines Algierer-Sklaven’ und Annette von Droste-Hülshoffs 'Die Judenbuche’
– Mark-Georg Dehrmann: Literarische Tribunale. Der 'Sonnenwirt’ bei Schiller,
Heinrich Ehregott Linck und Hermann Kurz
– Tanja van Hoorn: Ein Fall macht noch keine Geschichte. Johann Peter Hebels Verbrechererzählungen
– Nicolas Pethes: Graphomanie und Bilderschrift. Alfred Döblins 'Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord’ als Kriminalfallgeschichte jenseits der Literatur? – Erhard Schütz: Wenn man mit Fakten Fußball spielt. Egon Erwin Kischs 'Der Fall Redl’
– Jörg Schönert: Die Literarisierung einer Fallgeschichte: 'Das verlorene Kind’
von Rahel Sanzara
– Stefanie Stockhorst: Inszenierte Spurensuche. Detlef Opitz’ Roman 'Der Büchermörder’ und die Literatur über den Kriminalfall des Johann Georg Tinius
– Todd Herzog: Ronnie rennt. Der Marathonläufer und Bankräuber Johann Kastenberger
– Notizen
O autorze
Alexander Košenina, geb. 1963; wechselte 2008 vom germanistischen Lehrstuhl in Bristol an die Leibniz Universität Hannover; Gastprofessuren in USA (Cincinnati, Columbus, Vanderbilt), Peking und Tokio. Editionen früher Kriminalliteratur (Meißner, 2003; Müchler, 2011; Schiller: 'Verbrecher aus verlorene Ehre’, kommentierte, textkritische Studienausgabe 2014); jüngste Buchpublikationen: 'Karl Philipp Moritz’ (2006), 'Literarische Anthropologie’ (2008), 'Blitzlichter der Aufklärung’ (2010), 'Kleine anthropologische Prosaformen’ (Hg. mit Carsten Zelle, 2011), 'Johann Heinrich Ramberg als Buchillustrator der Goethezeit’ (Hg., 2013).