Mikrokredite sind seit mehr als zehn Jahren zentraler Bestandteil der Entwicklungspolitik. Sie werden als Wunderwaffe gegen die Armut gepriesen, mit der sich Frauen emanzipieren und Kleinunternehmerinnen eine Existenzgrundlage erarbeiten können. Unter dem Stichwort »Social Business« werben Finanzprogramme für eine angeblich humane Marktwirtschaft. Doch der schöne Schein trügt. Drei Jahrzehnte nach Gründung der weltbekannten Grameen Bank durch Muhammad Yunus gibt es keine stichhaltigen Belege für die Heilsversprechen der Mikrofinanz. Im Gegenteil: Mikrokredite mit exorbitant hohen Zinsen bürden Menschen mit unsicheren Existenzen und wenig Chancen nachweislich zusätzliche Schulden, Risiken und Arbeit auf. In diesem Buch zeigen Forscher, Entwicklungspraktiker und Journalisten – darunter Maren Duvendack, Thomas Gebauer, Kathrin Hartmann und Werner Raza –, warum der Versuch, Armut mit Schulden zu bekämpfen, gescheitert ist. Darüber hinaus diskutieren sie Wege einer solidarischeren Entwicklungspolitik, die unter anderem auf subventionierte Kredite setzt, auf die Stärkung des öffentlichen Sektors und damit auf Kooperation statt auf Einzelkämpfertum.
Spis treści
Inhalt
Einleitung 9 Gerhard Klas und Philip Mader Teil I Versprechen und Realitäten der Mikrofinanz Wir wissen nur, dass wir nichts wissen: Zur Beweislage über die Wirksamkeit von Mikrofinanzen 37 Maren Duvendack Kleine Kredite, große Geschäfte und die andere Finanzkrise: Finanzialisierung des Alltags durch Mikrokredite für Frauen in Indien 45 Christa Wichterich Mikrokredite gegen Armut: Dichtung und Wahrheit in Bangladesch 53 Andrea Rahaman Erinnerung an eine schwere Zeit: Widerstand und lokale Aneignung von Mikrofinanzprojekten im Sudan 61 Gihan Adam Abdalla und Ulrike Schultz Indien: Nach der Krise ist vor der Krise 73 Gerhard Klas Lokale wirtschaftliche Entwicklung dank Mikrofinanz: Fehlanzeige 83 Werner Raza Teil II Neue Entwicklungen und falsche Alternativen Social Business: Können Weltkonzerne Armut bekämpfen? 93 Kathrin Hartmann Kommerzialisierung und Armutsbekämpfung: Ein auflösbarer Zielkonflikt? 103 Sophia Cramer Mikroversicherungen: Teil der Lösung oder Teil des Problems? 113 Philipp Degens Der Strategiewechsel in der Mikrofinanz: Vom Unternehmerkredit zur »finanziellen Inklusion« 123 Sophia Sabrow Stigma, Schuld und Korruption: Die kambodschanische Sanitärversorgung als Experimentierfeld neoliberaler Entwicklungspolitik 133 Heino Güllemann Teil III Schulden und die neoliberale Kolonialisierung von Lebenswelten Mikrokredite: Konkurrenz statt Solidarität 143 Thomas Gebauer Privatverschuldung als Kompensationsmechanismus im Norden und Süden: Zum neoliberalen Kontext der Mikrofinanz 151 Daniel Mertens Finanzialisierung der Armut 159 Philip Mader Wer braucht überhaupt »Entwicklung«? 169 Aram Ziai Schlusswort Mikrofinanz und NGOs in Bangladesch: Ein Modell des Neoliberalismus 177 Anu Muhammad Mikrofinanz: Fragen und Antworten (F.A.Q.) 201 Autorinnen und Autoren 213
O autorze
Gerhard Klas ist Journalist (BR, DLF, NDR, SR, SWR, WDR) und Buchautor. Er veröffentlichte zuletzt 'Die Mikrofinanz-Industrie. Die große Illusion oder das Geschäft mit der Armut’ (2011).
Philip Mader ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie, Universität Basel. Von 2008 bis 2013 arbeitete er am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Zuvor studierte er Volkswirtschaft und Entwicklungsforschung an den Universitäten Sussex und Cambridge und arbeitete bei einer Mikrofinanzbank. Für seine Doktorarbeit (2012) zu Mikrofinanzen und der Finanzialisierung der Armut, für die er in Indien forschte und die Universität Harvard besuchte, wurde er mit dem Deutschen Studienpreis und der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet.