Der Jüngling ist eine längere Erzählung von Heinrich Mann.
Auszug:
Der junge Österreicher erwachte in dem bescheidensten Gasthofe Zürichs, die Sonne schien herein, und sein Herz schlug hoch auf. Reisen! Wieder weiter heute! Er riß das Fenster fort von der großen Bläue, in die sein Atem, aus emporgewendetem Mund, sich blühend mischte. Reisen, und wie! Mit der Erträumtesten, und die war sein, sein, wiewohl niemand es wußte, auch sie selbst nicht. Er staunte doch, die Welt überbot sich an Überraschungen. Vom Hause fort engagiert nach Deutschland, an ein richtiges Stadttheater – aber er ist durch die Schweiz gereist, ist gewandert im Sommerregen, der schönen Glut, unter den blitzenden Nachthimmeln. Hat in Zürich ein Mädchen erblickt! War ihr nur begegnet, ihr nur gefolgt, hatte, anstatt sie selbst, die Spiegel angesehen, in denen sie vorbeiging, hatte stumm und geheim an ihrer Tür geharrt. Aber sie würde, träte er vor sie hin und sagte die ganze Gewalt seines Herzens in ihre Augen hinein, mit ihm fliehen von Vater und Mutter, aus dem großen Hotel fort in seine Dürftigkeit, sein Geschick. Flüchtig besann er sich, daß er kein Geld mehr habe. Dann würde einfach auch sie Komödie spielen, die Liebe ihr Spiel und ihr Leben. Aber nicht einmal mehr so viel, um pünktlich anzukommen bei seinem Direktor! Wie denn, heute der erste September? Und im Warten auf sie schon alles versäumt? Da lief er aus dem Haus, zum See nieder, atmete Bläue und hatte vergessen, was nicht fließend und endlos.
O autorze
Heinrich Mann (1871-1950) war der ältere Bruder von Thomas Mann und wie dieser auch Schriftsteller. Sein Werk gilt als Geheimtipp unter Literaturkennern, da es weitgehend unbekannt ist.