»Mit großer Bewunderung habe ich die Menschenkinder gelesen! Sie sind eine hervorragende Seherin in die feinen Nuancen einer Seele – besonders Frauenseele«, so schreibt Ellen Key im April 1900 an Lou Andreas-Salomé. Der außergewöhnliche Novellenzyklus, den die berühmte Reformpädagogin hier würdigt, kreist um die Standortbestimmung junger Frauen und die Definition weiblicher Identität – in teils kritischer, teils ironischer Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Diskursen um das »Rätsel des Weibes«.
Lou Andreas-Salomé entwirft ein Spektrum höchst unterschiedlicher Protagonistinnen, von der jungen, noch von traditionellen Tugendvorstellungen geprägten Mutter bis zur Studentin, Ärztin oder Journalistin, die in einer langsam brüchig werdenden patriarchalen Gesellschaft neue Möglichkeiten der Selbstfindung erkunden. Auch heikle Themen wie Homosexualität oder Selbstmord werden angesprochen. Hier bedient sich die Autorin einer metaphern- und symbolreichen Sprache, um ihre Leser über den Prozess der Dekodierung bewusst zu eigenen Analysen anzuregen.
Diese kunstvollen Kompositionen sind nicht nur ein eindrucksvoller Spiegel der Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Besonders hinsichtlich Fragestellungen zu idealisierter Weiblich-, aber auch Männlichkeit bergen sie ein überaus reiches Potential für Forschungsansätze in Literaturwissenschaft, Psychologie und Philosophie.
Spis treści
Zu Lou Andreas-Salomé 2
Zur Herausgeberin 2
Editorische Notiz 6
Menschenkinder 7
– Vor dem Erwachen. 11
– Abteilung: »Innere Männer.« 39
– Mädchenreigen. 67
– Eine Nacht. 97
– Unterwegs. 118
– Ein Wiedersehen. 141
– Das Paradies. 157
– Inkognito. 196
– Ein Todesfall. 223
– Zurück ans All. 256
Zeitgenössische Rezensionen 299
– Arthur Eloesser: Neue Bücher (1899) 301
– Ernst Heilborn: Die »neue« Frau (1899) 303
– Anselma Heine: Menschenkinder (1899) 314
– Philipp Stein: Menschenkinder (1899) 321
– Dr. P. A. Salzer: Andreas-Salomé Lou: Menschenkinder (1901) 322
– Antisthenes: Menschenkinder (1902) 323
Erläuterungen 328
Nachwort 354
Literatur 378
Siglen und Abkürzungen 381
Zeittafel 382
Personenverzeichnis 385
O autorze
Das Leben der Lou Andreas-Salomé (1861–1937) umfasst die
Emanzipation vom zaristischen Russland mit Hilfe eines sehr
scharfen und sich keinerlei Zwängen beugenden Verstands, die
finanzielle Unabhängigkeit mit Hilfe der Schriftstellerei und die
bereitwillige umfassende Akzeptanz des psychoanalytischen
Prinzips in Bewunderung ihres Gründers.
Die Stadien dieses Lebens könnten auch betitelt werden mit
den Weggefährten jener Zeit – Friedrich Nietzsche, Rainer Maria
Rilke, Sigmund Freud –, man wird damit jedoch diesem selbstbestimmten
Frauenleben nicht annähernd gerecht.
Eine ausführliche Lebensbeschreibung findet sich in: »Lou
Andreas-Salomé. ›Wie ich dich liebe, Rätselleben‹. Eine Biographie
«, von Michaela Wiesner-Bangard und Ursula Welsch, und
auf unserer Website zu Lou Andreas-Salomé.