Marina Zwetajewa, neben Anna Achmatowa die bedeutendste russische Dichterin des 20. Jahrhunderts, war auch in ihrer Prosa unverkennbar Lyrikerin. Ob sie, wie in ihrer Tagebuchprosa, das Chaos der Revolutions- und Bürgerkriegsjahre schildert oder in ihren autobiographischen Erzählungen die verlorenenen Kindheitsparadiese aufruft, immer ist die Sprache – assoziativ, lyrisch, intensiv – die eigentliche Protagonistin.
Der Band versammelt Texte unterschiedlicher Lebensphasen: Die Moskauer Aufzeichnungen aus den Jahren 1917-1921 geben Zeugnis von den Revolutions- und Kriegswirren. »Über Deutschland« entwirft das Idealbild von einem Ort des Geistes, das während der Jahre ihrer Emigration rasch zerfallen wird. 1933, in der Not des Exils, beginnt Zwetajewa, sich in autobiographischen Erzählungen ihrer frühesten Erfahrungen zu versichern: behütete, doch unruhige erste Lebensjahre mit Stationen in Freiburg, Nervi und Lausanne, die überschattet waren vom frühen Tod der Mutter. Die »Erzählung von Sonetschka« vergegenwärtigt ihre Liebe zu der Schauspielerin Sofia Gollidej.
Mit der vorliegenden Auswahl gilt es die Prosa einer der größten europäischen Dichterinnen der Moderne neu zu entdecken, deren Leidenschaft und Dringlichkeit man sich kaum entziehen kann.
O autorze
Elke Erb, geboren 1938 in Rheinbach bei Bonn, war Lektorin, Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie war Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und wurde im Mai 2012 als Mitglied in die Akademie der Künste in Berlin berufen. Elke Erb ist am 22. Januar 2024 in Berlin verstorben.