Am 21. Juli 2005 löste Bundespräsident Horst Köhler den 15. Deutschen Bundestag auf und machte damit den Weg zu einer vorgezogenen Neuwahl frei. Anlass war die Niederlage der rot-grünen Koalition bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005, einem Bundesland, das sich seit 1966 zu einer Hochburg der SPD ent- ckelt hatte. Die Ursachen lagen freilich tiefer. Der amtierenden Bundesregierung war es nicht gelungen, die Wählerschaft von der Notwendigkeit der von ihr eingeleiteten Reform des Sozialstaates zu überzeugen. Der Streit über die Agenda 2010, mit der Bundeskanzler Schröder sein politisches Schicksal verknüpft hatte, spaltete nicht nur die deutsche Gesellschaft, sondern auch die Partei des Bundeskanzlers und fand mit der Abwahl der nordrhein-westfälischen Landesregierung einen Kulminationspunkt, der der SPD-Führung überdeutlich die Erosion der Wählerbasis signalisierte. Das vorzeitige Ende einer Regierung ist in einer Demokratie kein ungewöhnlicher Vorgang. Für Deutschland gilt diese Feststellung allerdings nicht, denn manche Be- achter der politischen Entwicklung interpretieren die für Deutschland typische zügige Bildung parlamentarischer Mehrheitsregierungen und deren Fortbestand während der gesamten Dauer der Legislaturperiode des Bundestages geradezu als ein Gütesiegel der deutschen Demokratie. So kam es in der Geschichte der Bundesrepublik nur viermal zu einer vorgezogenen Neuwahl des Bundestages, nämlich 1972, 1983, 1990 und 2005. Abgesehen von dem Sonderfall der vorzeitigen Neuwahl des Bundestages im Jahr 1990, die nicht aus einer innenpolitischen Krise resultierte, sondern durch die Wied- vereinigung bedingt war, weisen auch die anderen drei Auflösungsszenarien ihre S- zifika auf und ähneln nur bedingt den anderen.
Spis treści
Analysen der Bundestagswahl 2005.- Die politische Vorgeschichte der vorgezogenen Bundestagswahl.- Sowohl-als-auch: Die Bundestagswahl vom 18. September 2005.- Ein Schritt vorwärts und zwei zurück? Stabiles und wechselndes Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 1994 bis 2005.- Vorwahlumfragen 2005 – ein Debakel? Ist der Ausgang von Wahlen noch vorhersagbar?.- Bundestagswahlkampf 2005 – Strategische Rationalität versus personalisierte Emotionalität.- Kampagnendynamik im Bundestagswahlkampf 2005.- “Frau Merkel wird doch noch Kritik ertragen können…”: Inhalt, Struktur, Wahrnehmung und Wirkung des wirtschaftspolitischen Teils der Fernsehdebatte 2005.- Angenähert oder ausdifferenziert? Das Wahlverhalten in Ost- und Westdeutschland bei der Bundestagswahl 2005.- Wählerwanderung bei der Bundestagswahl 2005: Umfang, Struktur und Motive des Wechsels.- Issuewählen bei der Bundestagswahl 2005: Eine empirische Schätzung der Verlustfunktion der deutschen Wählerschaft.- Kandidatenorientierungen und Wahlentscheid bei der Bundestagswahl 2005.- Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 2005.- Die Entwicklung sozialer Konfliktlinien in den Wahlen von 1994 bis 2005.- Zur Sozialisation von Neuparlamentariern im 15. Deutschen Bundestag.- Sie, Sie, Sie oder Er? Die Kanzlerkandidatur Angela Merkels im Spiegel der Daten einer experimentellen Befragung.- Parteien und Kanzlerkandidaten bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 – Was, wenn sie zueinander passen, was, wenn nicht?.- Die verschwundene Popularitätsfunktion: Sind Arbeitslosigkeit und Inflation für das Wählerverhalten der Deutschen noch von Bedeutung?.- Regionalisierung des Wahlverhaltens und des Parteiensystems seit 1949.- Der Einfluss der Bundespolitik auf die Stimmabgabe der Bürger bei Landtagswahlen unterbesonderer Berücksichtigung der Stärke der Parteibindung.- Professionalisierte Kampagnenführung – eine systematische Messung.- “Zittrige Wählerhand” oder invalides Messinstrument? Zur Plausibilität von Wahlprojektionen am Beispiel der Bundestagswahl 2005.- Die “Amerikanisierung” der Medienberichterstattung über Bundestagswahlen.- Kognitive Mobilisierung oder nicht-kognitive De-Mobilisierung? Eine längsschnittliche Analyse der deutschen Wählerschaft für die Jahre 1976 bis 2005.- Internationale Trends und internationaler Vergleich.- Erwartungsbildung über den Wahlausgang und ihr Einfluss auf die Wahlentscheidung.- Motive individuellen Wahlverhaltens in Nebenwahlen: Eine theoretische Rekonstruktion und empirische Überprüfung.- Einstellungen zu Werten, Ideologien und Sachfragen als Determinanten des Wahlverhaltens in Mittel- und Südosteuropa.
O autorze
Professor Dr. Jürgen W. Falter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Mainz.
Professor Dr. Oscar W. Gabriel lehrt Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart.
Privatdozent Dr. Bernhard Weßels ist leitender Wissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin und lehrt Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.