Die Beschwörung einer »Leitkultur« und die Warnungen vor den Gefahren einer Parallelgesellschaft sind für die Integration von Migranten mehr hinderlich als befördernd. Werner Schiffauer plädiert mit diesem Buch dagegen für einen neuen Realismus, für eine Kultur des genauen Hinsehens. Mit Blick auf die Lebensrealität in Einwanderervierteln und islamischen Gemeinden zeigt er, wie gesellschaftliche Solidarität auch in Situationen kultureller Differenz entstehen und behauptet werden kann. Es sind weniger gemeinsame Werte und Überzeugungen, die für den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft entscheidend sind, als vielmehr die Aufrechterhaltung von kulturellen Austauschprozessen. Mehr denn je ist daher eine kluge Politik der Differenz gefragt, die auf Anerkennung und kommunikative Einbindung setzt statt auf Eindeutigkeitszwänge. Auf diesem Boden kann Identifikation mit der Einwanderergesellschaft und gesellschaftliches Engagement entstehen und zunehmen.
O autorze
Werner Schiffauer (Prof. Dr. Em.) ist Senior Scholar am Lehrstuhl für Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und arbeitet zu Fragen der Migration und des Islam. Zu seinen Veröffentlichungen zählen »Parallelgesellschaften. Wie viel Wertekonsens braucht unsere Gesellschaft?« (2008, transcript), »Nach dem Islamismus. Eine Ethnographie der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs« (2010, Suhrkamp) sowie »Schule, Moschee, Elternhaus. Eine ethnologische Intervention« (2015, Suhrkamp). Er ist Vorsitzender des Rats für Migration.