Ein ganzes Buch über ein einziges kurzes Gedicht, das für viele Menschen das schönste Gedicht deutscher Sprache ist.
»Über allen Gipfeln ist Ruh’ …« – An die Wand einer Jagdhütte auf dem Kickelhahn bei Ilmenau schrieb Goethe 1780 diese Verse, die zum bekanntesten Gedicht in deutscher Sprache überhaupt werden sollten, zu einem Musterbeispiel dessen, was man unter Lyrik seither versteht. Am Beispiel dieses populären Gedichts und seiner Rezeption lassen sich deshalb die Formen des Umgangs mit einem lyrischen Paradigma und der Gebrauch – und auch Missbrauch –, den man von ihm gemacht hat, gut beobachten. Man stößt dabei auf die hymnischen und oft hilflosen Versuche der Literaturwissenschaft, das Geheimnis großer Poesie aufzudecken, aber auch auf die zahlreichen Formen einer produktiven Rezeption durch Vertonungen, lyrische Anverwandlungen, Aneignungen und Gegengedichte, Übersetzungen, Parodien und Karikaturen, die Segebrecht vorstellt und kritisch betrachtet. Dargestellt wird die Rezeptionsgeschichte des Gedichts als Bewusstseinsgeschichte. Die Reihe der behandelten Autoren reicht dabei von Kleist, Brecht und Karl Kraus bis zu Günter Kunert, Erich Fried, Ernst Jandl und Albert Ostermaier. Eröffnet wird der Band mit einer detaillierten Untersuchung der Handschriften und Drucke des Gedichts, wobei Neuigkeiten zutage treten, die der Goetheforschung noch unbekannt sind. Den Abschluss bildet der Vorschlag einer innovativen Interpretation Segebrechts vor dem Hintergrund der Bergwerksangelegenheiten, mit denen Goethe zur Zeit der Entstehung des Gedichts befasst war.
O autorze
Wulf Segebrecht, geb. 1935, ist emeritierter Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg. Veröffentlichungen u. a. zur deutschen Literatur vom Barockzeitalter bis zur Gegenwart mit Schwerpunkten zur Geschichte, Poetik und Kritik der Lyrik vom 17. Jahrhundert bis heute.