Nach der Westverschiebung Polens 1945 stand die Volksrepublik vor der gewaltigen Aufgabe, eine fremde Industrieregion, deren Bevölkerung bis 1947 nahezu vollständig vertrieben wurde und die ein Drittel des Staatsgebiets bildete, zu inkorporieren und wirtschaftlich zu nutzen. Yaman Kouli untersucht am Beispiel des Gebiets Niederschlesien, wie effektiv das gelang.
Die materiellen Voraussetzungen für den Wiederaufbau waren überraschend gut. Das Produktionspotenzial der früheren Ostprovinz war zu Kriegsende 50 Prozent höher als 1936, und die Kriegszerstörungen waren überschaubar. Einzig die Demontagen hatten einen nennenswerten Umfang, endeten jedoch weit überwiegend noch im Jahr 1945.
Deutlich schlechter war es um die 'immateriellen’ Voraussetzungen bestellt. Die Quellen belegen, dass die Folgen des Verlusts der Beschäftigten spätestens nach 1950 erheblich gravierender waren, als die polnischen Ministerien zunächst annahmen. Die Wissensinfrastruktur der Region war zerschlagen und das Wissen der ehemaligen Arbeitskräfte stand für die Rekonstruktion der wissensbasierten, nach-industriellen Wirtschaft nicht mehr zur Verfügung. Hieran vor allem scheiterte die Rekonstruktion.
O autorze
Yaman Kouli studierte Geschichtswissenschaften, Wirtschaftsgeschichte und Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld, außerdem Geschichtswissenschaften an der Université Paris VII/Denis Diderot. Auslandssemester führten ihn an die Uniwersytet im. Adama Mickiewicza in Posen. Er war Mitglied des von der DFG geförderten Graduiertenkollegs 'Archiv – Macht – Wissen – Organisieren, Kontrollieren, Zerstören von Wissensbeständen von der Antike bis zur Gegenwart’, es folgte ein Forschungsaufenthalt am Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Promotion 2012. Derzeit arbeitet er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Prof. Rudolf Boch an der Technischen Universität Chemnitz.