Autoritär, antidemokratisch, ewiggestrig: Das sind die Attribute, die
dem Kulturpessimismus heute angeheftet werden. In einer Welt der
globalisierten Moderne gelten seine Vertreter bestenfalls als Spielverderber.
Dass eine kulturpessimistische Haltung auf kritischer Analyse beruht,
war zwar noch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
für jeden etwa an Adorno geschulten Geist eine Selbstverständlichkeit.
Heute aber schließen die Wortführer des Zeitgeists nahezu alles, was sich
als »Kultur« ausgibt, unterschiedslos in die Arme und erheben auch das
Trivialste zum schützenswerten Gut. Wenn jede kulturelle Äußerung als
sakrosankt gilt, ist Kulturkritik passé.
Weil sich unsere Gesellschaft von jeder ernsthaften Form der Kulturkritik
verabschiedet hat, begrüßt sie ihren eigenen kulturellen Niedergang als
Fortschritt. Doch eine Kultur, die sich nicht mehr selbstverständlich als
behauptenswert betrachtet, droht sich aufzugeben. In unserem Falle
bedeutet dies, hinter die Ideale der Aufklärung – Freiheit, wissenschaftliche
Rationalität und Individualismus – zurückzufallen. Alexander Grau
versucht, Kulturpessimismus unter den Bedingungen globalisierter
Wohlstandsgesellschaften als Geisteshaltung zu rehabilitieren, frei von
raunender Geschichtsmetaphysik und nostalgischer Verklärung.
Sobre o autor
Alexander Grau, geboren 1968, studierte an der Freien Universität
Berlin Philosophie und Linguistik. Seit 2003 arbeitet er als freier Publizist,
Kultur- und Wissenschaftsjournalist und veröffentlicht zu Themen
der Kultur- und Ideengeschichte. Seit Juni 2013 veröffentlicht Alexander
Grau wöchentlich die Kolumne »Grauzone« bei »Cicero Online«. Zuletzt ist von ihm erschienen
»Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung« (2018).