Genau wie die Eisenbahn ist der Terrorismus eine Erfindung der europäisch-amerikanischen Welt des 19. Jahrhunderts. Dieses Buch benennt die Erfinder und beschreibt die Wechselwirkung zwischen Tat, Politik und medialer Öffentlichkeit.
Anders als in den letzten Jahren oft suggeriert, ist Terrorismus ein Produkt der Moderne: Die Taktik des Terrorismus entstand im Anschluss an die großen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung von Massenmedien und Öffentlichkeit. Carola Dietze identifiziert fünf Erfinder des Terrorismus. Sie schildert anschaulich deren politische Verortung und lebensgeschichtlichen Weg, der zu den terroristischen Taten geführt hat.
Der Italiener Felice Orsini verübte im Zuge seines Kampfes für die italienische Einheit und Demokratie 1858 ein Bombenattentat auf den französischen Kaiser Napoleon III., das in ganz Europa und den USA eine Sensation war. In den USA verfolgte John Brown, der für die Emanzipation der Sklaven kämpfte, die Berichterstattung über Orsinis Gewalttat und übernahm die Taktik. Sein Überfall auf Harpers Ferry 1859 markiert den Entstehungsmoment des Terrorismus.
In Deutschland versuchte Oskar Becker mit einem Attentat auf Wilhelm I., die Tat Orsinis nachzuahmen. John Wilkes Booth und Dmitrij Vladimirovič Karakozov orientierten sich bei ihren Anschlägen auf Präsident Abraham Lincoln und Zar Aleksandr II. 1866 dagegen primär an John Brown.
Carola Dietze zeichnet die Transfer- und Rezeptionsprozesse zwischen Europa, Russland und den USA nach und schildert die Erfindung des Terrorismus, der als (gegen-)revolutionäre Taktik 1866 fertig ausgebildet war und seitdem nur noch technisch abgewandelt wird
Tabela de Conteúdo
Einleitung
I Theoretische und historische Voraussetzungen Bausteine zu einer Theorie des Terrorismus: Begriff, Handlungslogik, Ursachen und Wirkungen
Konturen einer Geschichte des Terrorismus: Freiheit, Nation und Gewalt
II Bomben für die Nation
Felice Orsinis Attentat auf Napoleon III. und die Entstehung Italiens
Die politische Blockade in den italienischen Staaten
Ein italienischer Revolutionär
Unter Revolutionären: Im Exil für Italien
Vom politischen Mord zur terroristischen Taktik
Das Attentat vor der Oper
Politisch-symbolisches Scheitern
Dialektik einer Niederlage: Durch Kooperation zum erfolgreichen Märtyrer
Orsinis Attentat und die Entstehung Italiens
III Transatlantische Kommunikation
Die Berichterstattung über Orsinis Attentat in den USA
IV Geiseln für die Emanzipation
John Browns Überfall auf Harpers Ferry und das Ende der Sklaverei in den USA
Die politische Blockade in den USA
Ein amerikanischer Revolutionär
Guerillakrieg zur Sklavenbefreiung: Die Entstehung eines Plans
Medien und Gewalt: Lektionen aus dem Bürgerkrieg von Kansas
Unter Neuenglands Eliten: Unterstützer und Theorien der Gewalt
Vom Guerillakrieg zur terroristischen Taktik
Vorbild Orsini? Argumente für transatlantische Inspirationen
Der Überfall auf Harpers Ferry
Politisch-symbolisches Scheitern
Mediale Selbstelevation: Vom Stigma zum Charisma
Amerikanische Ikone: Apotheose durch Intellektuelle im Norden
Amerikanischer Dämon: Sprachlosigkeit und Terror im Süden
Exekution und Märtyrerkult
Browns Überfall auf Harpers Ferry und das Ende der Sklaverei in den USA
V Transatlantische Kommunikation
Die Berichterstattung zum Überfall auf Harpers Ferry in Europa
‘Ein wahrer Michael Kohlhaas’ John Brown als Freiheitsheld und Bibelchrist
Die politische Blockade in Russland
Die Radikalisierung der russischen intelligencija
Der wahre Rachmetov? John Brown als Vorbild Černyševskijs in ‘Was tun?’
VI Weiterentwicklung durch Nachahmer
Die Universalisierung der terroristischen Taktik
Wilhelm, Abraham, Aleksandr: Drei terroristische Attentate
Die Täter: Novize, Zaungast und Theoretiker in Sachen (Gegen-)Revolution
Orsini und Brown: Interpersonale, mediale und transmediale Vorbilder
Tat, Propaganda, Opferbereitschaft: Die Erfindung des Bekennerschreibens
Politisch-symbolisches Scheitern
Schluss
Die Erfindung des Terrorismus
Perspektiven auf die Terrorismustheorie
Neue Perspektiven auf die Terrorismusgeschichte
Perspektiven für die weitere Forschung
Quellen und Literatur
Unveröffentlichte Quellen
Zeitungssammlungen und elektronische Datenbanken
Zeitungen
Veröffentlichte Quellen und Literatur
Dank
Register
Sobre o autor
Carola Dietze, PD Dr., Heisenberg-Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft; 2014/2015 Vertretung des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München; zuvor Akademische Rätin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte der Justus-Liebig-Universität Gießen und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Institut in Washington, DC. Carola Dietze erhielt 2006 den Hedwig-Hintze-Preis des Deutschen Historikerverbandes.