Grundlegend für Husserls Phänomenologie sind die beiden Methoden der eidetischen und der phänomenologischen Reduktion. Der vorliegende Band, der unter sachlichen Gesichtspunkten ausgewählte, zwischen 1891 und 1935 entstandene Forschungsmanuskripte zur Lehre vom Wesen enthält, ist deshalb komplementär zu dem Band über phänomenologische Reduktion (Husserliana XXXIV). Er ist – analog zu den Phasen, in denen jene Lehre Modifikationen erfahren hat – in fünf Teile (I-V) gegliedert mit je charakteristischen thematischen Fragestellungen und Schwerpunkten: Nach ersten Vorüberlegungen (I: 1891-1900) wird die Wesenseinsicht im Zusammenhang mit der Begriffsbildung erörtert (II: 1901-1917) und ergänzt daher ebenso die Untersuchungen zur Urteilstheorie (Husserliana XL, Teil C). Es folgen Analysen, die sich vor allem dem niedersten Allgemeinen, aber auch der Funktion der Phantasie bei der Variation widmen (III: 1917/18). Die Abgrenzung von typischen und exakten Wesen bildet einen weiteren Schwerpunkt (IV: 1918-1925). Der letzte Teil (V: 1926-1935) gilt Texten, die sich vor allem mit den Problemfeldern Eidos „Ich“ und – damit eng zusammenhängend – Eidos „Welt“ befassen und somit zu dem Kontext des Lebenswelt-Bandes (Husserliana XXXIX) und der Krisis-Bände (Husserliana VI und XXIX) gehören. Hierbei berührt Husserl auch Themen, welche die Grenzen der Methode aufzeigen, z.B. die eidetische Variation meines eigenen Charakters.
Tabela de Conteúdo
Einleitung des Herausgebers.- I. Anfängliche Überlegungen zum Begriff des Allgemeinen bis zu den Logischen Untersuchungen (1891–1901).- 1. Das Allgemeine. Eine Studie. Aporien über das Allgemeine.- II. Wesen und Wesenserfassung in Urteilen und bei der Begriffsbildung (1901–1917).- 2. Grundlegende Betrachtung: Ideation als Wesen erfassender Akt. Zur Funktion der Wesenseinsicht in Urteilen: das Wesen als das Gemeinsame in der Gegebenheit der impressionalen oder modifizierten Intuition.- 3. „Logische Verdeutlichung“ als Verdeutlichung des „Gemeinten“ im Verhältnis zur „Klärung“. Analytischer Sinn (Bedeutung) und Sinn schlechthin.- 4. Der Wesensunterschied in den Wesensbegriffen und ihrer Bildung. Anschauungsbegriffe als Typenbegriffe gegenüber exakten Begriffen als Ideen.- 5. Auseinandersetzung mit Jean Hering über das Gesamtwesen, das unwandelbare Wesen des Naturdinges und andere Ideen als Einheiten gegenüber Exemplaren als ihren Vereinzelungen.- 6. Reines Denken, bezogen a) auf die ästhetische Sphäre (des Typischen), b) auf die Sphäre der Limesexaktheit. Typus und exaktes Wesen.- 7. Zur Phänomenologie sinnlicher Gattungen und Arten. Mischungen und niederste Differenzen. Probleme der Gattungsbestimmung und der Gleichheit bzw. Ähnlichkeit in der Sphäre des Sinnlichen.- III. Texte zum niedersten Wesen gegenüber dem Art- und Gattungs-Allgemeinen. Zur Funktion der Phantasie (1917/18).- 8. Das Individuum und sein Wesen. Die unterschiedlichen Formen des Allgemeinheitsbewusstseins: das konkrete Wesen bloßer Wiederholung als erstes Allgemeines, die Art als zweites Allgemeines und die Gattung als abstraktes Wesen.- 9. Der Vorrang der zeitlichen vor der räumlichen Stellung als individualisierendes Moment. Das individuelle Wesen als das jedem Einzelnen einer Wiederholungsreihe zu entnehmende Identische. Das individuelle Wesen als Vereinzelung des konkreten Wesens. Das konkrete Wesen und sein Umfang als eine offene Unendlichkeit möglicher Einzelheiten.- 10. Die Suche nach der niedersten Differenz, welche die Realisierung bzw. Vereinzelung eines Wesens individuiert, führt auf die Form der Zeit. Die Vereinzelung eines konkreten Wesens (eines einzelnen Gegenstandes) ist als Wiederholung in der Zeit oder als Mehrheit zusammenhangsloser Phantasien möglich.- 11. Individuelle Vereinzelung des konkreten Wesens als hèn epì pollôn, das in ein sich nur spezifisch differenzierendes Quale und eine sich individuell differenzierende Extension zerfällt. Die spezifische Differenz gegenüber der letzten, echten, individuellen Differenz.- 12. Zur Klärung des Vorstellungsbegriffs und zur Bestimmung der in den Wesen gründenden Relationen (Humes Ideenrelationen).- 13. Wesensanalyse des Raumdinges im Kontext der Disanalogien von Zeit und Raum.- 14. Zur Wesenserschauung und zu den Eigenheiten der unterliegenden individuellen Anschauungen. Zur Lehre von der Erfahrung und der Phantasie als Quasi-Erfahrung.- 15. Humes relations of ideas als im Inhalt des Gegenstandes gründende Wesensrelationen. Wie weit gehören die zeitliche und räumliche Lage zum Inhalt des Gegenstandes? Über die Wesen von Raum- und Zeitpunkt.- IV. Wesenserschauung als reines Denken. Typisches Allgemeines und exaktes Wesen. Reflexionen bis zur Vorlesung Phänomenologische Psychologie (1918–1925).- 16. Grenzbetrachtung: Das Umfingieren eines einzelnen Faktums ergibt eidetische Möglichkeiten, beim Umfingieren der Natur im Ganzen stellt sich jedoch die Frage, ob es noch dieselbe Natur ist, deren eidetische Möglichkeiten ich bestimme.- 17. Ergänzendes zur Erschauung des Allgemeinen durch Deckung und Widerstreit bei der freien Umwandlung eines Möglichen in andere Möglichkeiten. Über die Möglichkeit fortgesetzter kontinuierlicher Wandlung durch Erweiterung einer Kontinuität auf Grund der Wesensgemeinschaft mit einer anderen Kontinuität.- 18. Der Unterschied zwischen konkreten und allgemeinen Wesen (Spezies). Die Erfassung der konkreten Wesenals Voraussetzung für die Erfassung der allgemeinen Wesen. Die Konstitution der Spezies in der Vergleichung.- 19. Wie reine Möglichkeiten entspringen in der Aktualität. Reines Denken bezogen auf typisch-empirisches und exaktes Identisches.- 20. Die Idee des regionalen Wesens eines Dinges als geschlossene Konkretion, in der alle Relativitäten expliziert sind. Empirisch-typische gegenüber rein-eidetischer Allgemeinheit. Wesentliche und außerwesentliche Typen.- 21. Die Methode der Konstitution der obersten regionalen Gattung. Umphantasieren als „Verwandlung“ eines individuellen Dinges in ein anderes unter Deckung eines Allgemeinen. Die Frage der Notwendigkeit und Eindeutigkeit der Idealisierung der sinnlich-anschaulichen Räumlichkeit in Form der Euklidischen Geometrie.- 22. Die strenge Identität der Gattung Farbe gegenüber den kontinuierlich sich wandelnden Farbmomenten. Von typisch ausgezeichneten Farben zu reinen Farbdifferenzen als Limes.- V. Exemplarische Wesensanalysen und die Problematik des Eidos „Welt“ bzw. „Ich“ bis zur Krisis-Schrift (1926–1935).- 23. Wesensanalyse der morphologischen Realitäten.- 24. Physikalische Realität und morphologische Realität. Physik und Morphologie der Natur, insbesondere Deskription Naturwissenschaft.- 25. Exemplarische Wesensanalyse des Organischen. Der Typus der Entwicklung des organischen Individuums als „teleologisches“ Hin-Werden gegen ein zu ihm wesensmäßig gehöriges Ende (Entelechie).- 26. Der Wesensstil der natürlichen Erfahrung und die Frage, ob die allgemeine Kausalität darin enthalten sein muss.- 27. Die reine Logik als formal-apriorische, allen anderen Wissenschaften vorangehende mathesis universalis. Die allgemeinste material-eidetische Typik der Welt und ihr universal-materiales Apriori. Betrachtungen über mögliche, a priori inkompatible Welten und Gemeinschaften.- 28. Eidetische Ontologie der Welt.- 29. Vorbetrachtung zur universalen Ontologie einer möglichen Welt. Weg der Gewinnung der „Idee“ einer möglichen Welt überhaupt als Leitidee für die ontologische, also theoretische Forschung.- 30. Ob und wie die freie Variation in einer eidetischen und reinen Psychologie gegenüber einer transzendentalen Phänomenologie gebunden ist. Suche nach dem Eidos „reine Subjektivität“ im Gegensatz zu dem Eidos „welterfahrende Subjektivität“. Erkundung der Grenzen der Variabilität: leiblose Subjekte, Verrückte, Tiere usw.- 31. Die konstruktive Bildung einer anschaulichen Totalvorstellung der Welt als Ausgangsbeispiel einer möglichen Variation zur Gewinnung des Eidos „Welt“. Jene Totalvorstellung bleibt ein Kunstprodukt im Dienst philosophischer Interessen.- 32. Kann es eine Wesensanalyse des eigenen persönlichen Charakters geben (oder des Charakters eines Anderen)? Grenzen des variativen Verfahrens im Kennenlernen eines personalen Individuums.- 33. Zur eidetischen Ontologie der Natur, des Organismus, der Person und der Kulturobjekte.- 34. Allgemeines über die Methode der Variation. Abgrenzung des individuell eigenschaftlichen Wesens des Exempels vom allgemeinen Wesen.- Textkritischer Anhang.