„Hast du Wielands Übersetzung der Horazischen Episteln gesehen?“, fragt Goethe in einem Brief vom 5. Mai 1782 Knebel. „Wenn man sie laut in Gesellschaft liest, fühlt man, wie glücklich er mit dem einen Fuß auf dem alten Rom und mit dem andern in unsrem deutschen Reiche stehet, und sich angenehm hin und herschaukelt.“ Im horazbegeisterten deutschen 18. Jahrhundert übertrifft Wieland, dem Horaz seit seinem zehnten Lebensjahr stets präsent ist, alle anderen Autoren an Kennerschaft und zugleich philologischer Gelehrsamkeit. Er stellt jedoch insofern eine Ausnahme dar, als ihm das Parlando der lebensphilosophischen und literaturkritischen hexametrischen Werke des augusteischen Dichters der Satiren und der Episteln näher steht als dessen hohe Lyrik, der sonst die schwärmerische Liebe der Zeitgenossen gilt.
Die von Wieland zuerst in Angriff genommene Episteldichtung ist ein Freundschaftsgespräch über gelingendes Leben. In den drei darauffolgenden, überaus umfänglichen Episteln des zweiten Buches über Dichtung und Dichter findet Wieland gültige Urteile und Forderungen auch für seine Zeit und erkennt die eigene dichterische Position im Spiegel dieser Briefe. Die Übersetzung begleitet er mit umfänglichen Einleitungen und zahlreichen ausführlichen Erläuterungen. Von der zweiten Auflage (1790) an war Wielands Übersetzung der lateinische Text beigegeben – wie es nun auch in der neuen Ausgabe von Wielands Werken wieder geschieht.
Das immer wieder überarbeitete Übersetzungswerk hat stets höchste Bewunderung als eine der bedeutenden Dichtungen der Weimarer Klassiker erfahren. Es erscheint nun im Band 17.1 zusammen mit Abhandlungen und Rezensionen der Jahre 1782-1783.
Sobre o autor
Ernst A. Schmidt, Universität Tübignen; Hans-Peter Nowitzki, Universität Jena.