‘Wenn ich ›Europa‹ dachte, so war es eigentlich immer die Schweiz: dies freie, kleine, aber nicht enge, sondern vielgestaltige und mehrsprachige, von europäischer Luft durchwehte und nach seiner Natur so großartige Land.’ (Thomas Mann, 1954)
Seitdem kultureller Austausch wieder möglich ist und der Markt sich öffnet, erscheint das Jahr 1945 als ‘Abkehr von selbstgewählter und aufgezwungener Provinzialität’ (Klara Obermüller). Trotzdem reduzieren die meisten Literaturwissenschaftler die Schweizer Literatur der 1950er Jahre auf Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch. Dabei erbringt die maßgeblich von Werner Weber bestimmte Literaturkritik bis zum ›Zürcher Literaturstreit‹ einen deutlich breiteren Modernisierungsschub. Wenn diesem auch eine intensive Rezeption Robert Walsers wohlangestanden hätte, tritt doch an vielen Stellen Neues zutage: So realisiert der Verleger und Autor Otto F. Walter avantgardistische Vorstöße, in Frischs Auseinandersetzung mit Albin Zollinger weitet sich die ›kleine Schweiz‹ zur ›großen Welt‹. Meinrad Inglin entwickelt sich vom Heimatschriftsteller zum engagierten Kritiker gewisser Schweizer Eigentümlichkeiten, die von Ludwig Hohl radikal pointiert werden, und die Lyrik nimmt teil an der Überwindung konventioneller Formensprache und Themenkreise.
Tabela de Conteúdo
– Editorial
Lyrik
– Jürgen Egyptien: Zur deutschsprachigen Lyrik in der Schweiz der 1950er Jahre. Erika Burkart, Eugen Gomringer und Alexander Xaver Gwerder
– Zygmunt Mielczarek: Das Konventionelle in Kontinuität und Innovation. Erika Burkarts frühe Lyrik
– Christiane Wyrwa: Dauer und Wechsel. Die Entwicklung von Kuno Raebers Poetik in den 1950er Jahren
– Annetta Ganzoni: Der Anschluss an die europäische Moderne – Andri Peer, ein bündnerromanischer Lyriker
Prosa
– Sonja Osterwalder: ‘Schreibe ich wutvolle Dinge?’ Ludwig Hohl und die Schweiz
– Ulrich Weber: Ulrich Becher und die Schweiz oder Heimkehr ins Exil
– Dominik Müller: Welt und Provinz. Max Frischs ‘Stiller’ und die ‘Schweizerromane’ Albin Zollingers und Kurt Guggenheims
– Daniel Annen: Ein Staatsanwalt statt Whisky. Uber Rolf als Kontrastfigur zum Protagonisten in Frischs Roman ‘Stiller’ (1954)
– Eva C. Wiegmann-Schubert: Meinrad Inglin – Wegbereiter einer ökologischen Literatur
– Monika Obermeier: Ein Leihbibliothekenroman? Zu Friedrich Dürrenmatts Prosakomödie ‘Grieche sucht Griechin’
– Beatrice von Matt: In der Sprache gefangen, in die Sprache befreit. Ein Blick auf Otto F. Walters Frühwerk
– Dorota Sosnicka: Die ‘Lust am Spiel’: Zum Schaffen Otto F. Walters – Robert Leucht: ‘weil eine gewaltige Menge von Tradition jeden Schreibversuch belastet’. Otto F. Walters Roman ‘Der Stumme’, William Faulkner und die Durchsetzung der Moderne in der Schweiz
Verlag, Rezeption, Kritik
– Georg Gerber: ‘Einer der wesentlichen Sammelpunkte neuerer und neuester Literatur’. Der Walter-Verlag im Kontext des literarischen Lebens der Schweiz in den 1950er und 1960er Jahren
– Rosmarie Zeller: Die Robert-Walser-Rezeption in den fünfziger Jahren
des 20. Jahrhunderts
– Thomas Feitknecht: Im Bann von Werner Weber. Der NZZ-Feuilletonchef prägte die Literaturkritik und Literaturförderung
– Die Beiträgerinnen und Beiträger
– Adressenverzeichnis der Beiträgerinnen und Beiträger
– Personenregister
Sobre o autor
Günter Häntzschel ist em. Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft, LMU München. Bücher u. a. über J. H. Voß, G. A. Bürger, Annette von Droste Hülshoff, Wolfgang Koeppen, Sozialgeschichte der Lyrik des 19. Jahrhunderts.
Sven Hanuschek ist Germanist, Publizist und lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der LMU München. Bücher u. a. über Heinar Kipphardt, Uwe Johnson, Erich Kästner, Elias Canetti, über Heinrich Heines Lyrik und Laurel & Hardy.
Ulrike Leuschner, Editionsphilologin an der Forschungsstelle Merck der TU Darmstadt. Publikationen zur Literatur des 18. – 20. Jahrhunderts, Herausgeberin des ‘Briefwechsels’ und der ‘Gesammelten Schriften’ von J. H. Merck.