Das Zeitalter der Kolonialkriege ist in der öffentlichen Wahrnehmung spätestens seit dem Abschluss der Dekolonisierung Mitte der 1970er Jahre zu Ende gegangen. Der Kolonialkrieg gilt als Krieg der Vergangenheit, dem die politische Grundlage entzogen ist. Tatsächlich jedoch knüpfen zahlreiche militärische Auseinandersetzungen der Gegenwart mehr oder weniger offen an das historische Phänomen des Kolonialkriegs an. Sie werden von einer Renaissance der Begriffe Imperium und Imperialismus begleitet, die in neue globale und regionale Ordnungsentwürfe einfließt. Gegenwärtige Ansätze werden häufig durch einseitige historische Referenzen legitimiert, ohne dabei die Vielschichtigkeit der kolonialen Kriegssituation in ihrer vollen Breite zu erfassen. Diesem Defizit setzen die Autoren dieses Bandes einen systematischen historischen Vergleich entgegen. Der Kolonialkrieg war jedoch nicht nur die radikalste Form akuter Gewaltanwendung im imperialistischen Zusammenhang, sondern ein integraler Bestandteil der kulturellen Praxis expandierender Staaten. Einbezogen werden deshalb auch kulturwissenschaftliche Fragestellungen. Die elf ausgewählten Beispiele kolonialer Kriegführung spiegeln die historische Entwicklung militärischer Gewalt im Zeichen des Imperialismus von dessen Anfängen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis zum Abschluss der Dekolonisierung Mitte der 1970er Jahre sowie unterschiedlichste Typen imperialistischen Vordringens wider. Gefragt wird dabei insbesondere nach den Bedingungen und dem Verlauf der Kriege, dem militärischen Vorgehen, den kulturellen Vorstellungen, Diskursen und Sprachregelungen, die im Einzelfall damit verbunden waren, sowie danach, wie die Kriege in die Erinnerung eingegangen sind.
Tabela de Conteúdo
Inhalt
Thoralf Klein und Frank Schumacher: Einleitung Dierk Walter: Warum Kolonialkrieg?
Michael Hochgeschwender: The Last Stand: Die Indianerkriege im Westen der USA (1840-1890) Thomas Morlang: ‘Die Wahehe haben ihre Vernichtung gewollt.’ Der Krieg der ‘Kaiserlichen Schutztruppe’ gegen die Hehe in Deutsch-Ostafrika (1890-1898) Frank Schumacher: ‘Niederbrennen, plündern und töten sollt ihr’: Der Kolonialkrieg der USA auf den Philippinen (1899-1913) Thoralf Klein: Straffeldzug im Namen der Zivilisation: Der Boxerkrieg in China (1900-1901) Cord Eberspächer: ‘Albion zal hier ditmaal zijn Moskou vinden!’ Der Burenkrieg (1899-1902) Susanne Kuß: Kriegführung ohne hemmende Kulturschranke: Die deutschen Kolonialkriege in Südwestafrika (1904-1907) und Ostafrika (1905-1908) Ulrich Mücke: Agonie einer Kolonialmacht: Spaniens Krieg in Marokko (1921-1927) Giulia Brogini Künzi: Der Wunsch nach einem blitzschnellen und sauberen Krieg: Die italienische Armee in Ostafrika (1935/36) Reinhard Zöllner: Ein ostasiatischer Holocaust? Japans Aggression in China (1931-1945) Daniel Mollenhauer: Die vielen Gesichter der pacification: Frankreichs Krieg in Algerien (1954-1962)
Zu den Autorinnen und Autoren
Sobre o autor
Thoralf Klein, Dr. phil., Historiker und Sinologe, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Ostasiatische Geschichte der Universität Erfurt. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte des Christentums in China, Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen, neuere Sozial- und Kulturgeschichte Chinas. Frank Schumacher, Dr. phil., Historiker und Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Nordamerikanische Geschichte der Universität Erfurt. Arbeitsschwerpunkte: nordamerikanische Geschichte, atlantische Geschichte, internationale Geschichte der Neuzeit.