Welche Bestimmungsfaktoren waren für die Unterschiede in den Transformationen des Baltikums und Südkaukasus nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems verantwortlich? Was sind die Ursachen für die zwar zunächst ähnlich begonnenen, aber in ihrem anschließenden Verlauf und Ergebnis verschiedenartigen politischen Umgestaltungen in Lettland und Aserbaidschan? Die Antwort scheint offensichtlich: die Verschiedenheit der neuesten Geschichte, besonderen Kultur und geographischen Lage der beiden Länder erklärt auch die unterschiedliche jüngste Entwicklung der beiden Nationen. Obwohl solche Faktoren tatsächlich maßgebend die Abweichungen in den beiden Systemwechsel bewirkten, ist simpler Geschichts-, Kultur- und Geodeterminismus unzureichend. Die Untersuchung kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass zwar in beiden Ländern ein starkes Nationalbewusstsein entscheidender Faktor für den Beginn und Verlauf der Transformation war. Jedoch war die politische Elite Aserbaidschans nicht bereit, Nationalismus und Demokratie in Einklang zu bringen. So wurde im Südkaukasus die postsowjetische nationale Entwicklung, anders als im Baltikum, in Kontinuität zur Sowjetzeit gesehen, was ein Abstreifen autoritärer Traditionen behinderte. Dagegen spielten im Westen sozialisierte und ausgebildete Exil-Letten bei der Errichtung einer demokratischen Ordnung in dem baltischen Staat eine wichtige Rolle, während in Aserbaidschan das Fehlen eines solchen Inputs zur Rückkehr der alten Eliten führte. Schließlich profitierte Lettland, weit mehr als Aserbaidschan, von einem pro-demokratischen Umfeld, d.h. von der aktiven Einwirkung europäischer Nachbarstaaten und westlicher Organisationen.
Despre autor
Der Autor:Kamran Musayev, B.A., M.A., M.I.B., studierte Internationale Beziehungen in Baku sowie als DAAD/OSI-Stipendiat in Eichstätt/Ingolstadt. Er forscht seit 2009 als Stipendiat der Stiftung des Berliner Abgeordnetenhauses an der Freien Universität Berlin. Zuvor war er u.a. Praktikant im Außenministerium Aserbaidschans, Theodor-Heuss-Kollegiat in Riga sowie Kreditsachbearbeiter der Micro Finance Bank of Azerbaijan. Der Vorwortautor:Prof. Dr. Leonid Luks ist stellvertretender Direktor des Zentralinstituts für Mittel- und Osteuropastudien der Katholischen Universität Eichstätt/Ingolstadt.Der Editor:Sandro Henschel, Dipl.-Pol., studierte Politikwissenschaft und Amerikanistik in Augsburg und promoviert derzeit an der TU Dresden.