Alle weichen mal von den Regeln ab. Das gehört zum Leben in Organisationen dazu. Der Grund: Organisationen brauchen Regeln, um berechenbar zu sein, für situative Anpassungen sind aber auch Regelbrüche nötig. Da diese überhaupt erst das Funktionieren von Organisationen aufrechterhalten, spricht man in der Organisationsforschung von »brauchbarer Illegalität«. Dabei ist, so der Soziologie und Organisationsberater Stefan Kühl, nicht jeder Verstoß nützlich: Manchmal zielt er nur auf einen persönlichen Vorteil, nicht selten endet er in einem für die Organisation hochriskanten Skandal.
Wie kommt es zu Regelbrüchen? Wann können von ihnen wichtige Impulse ausgehen? Wo liegen Probleme der Regelabweichungen? Wie kann man sich intern über sie austauschen? Anhand einer Vielzahl von konkreten Fällen wirft der Autor einen genauen Blick auf die Nützlichkeiten und Risiken der alltäglichen Regelabweichungen in Organisationen.
Cuprins
Inhalt
Regelverletzungen in Organisationen – Eine Einleitung 9
1Funktionale Regelverstöße und brauchbare Illegalität – Warum sich Regelabweichungen in Organisationen nicht vermeiden lassen 23
1.1Die Personalisierung der Verantwortung 24
1.2Gründe für Regelabweichungen 28
1.3Zwischen formalen Konsistenzerwartungen und widersprüchlichen Umweltanforderungen 32
1.4Grauzonen zwischen Regeleinhaltung und Regelverletzung 37
2Verstöße gegen »Gesetze des Staates« und »Gesetze der Organisation« 43
2.1Wie man Erwartungen fixieren kann – Ähnlichkeiten und Unterschieden von Positivierung und Formalisierung 44
2.2Die Zurechnung der Verantwortung für Gesetzesverstöße 51
2.3Sensibilitäten und Toleranzen gegenüber Gesetzesverstößen 58
2.4Fließende Übergänge zwischen Verstößen gegen Gesetze und Verstößen gegen die Formalstruktur 60
3Die schwierige Unterscheidung zwischen brauchbarer und unbrauchbarer Illegalität 65
3.1Auf der Suche nach persönlichen Vorteilen – Unterschlagung, Korruption, Arbeitsverweigerung 67
3.2Illegale Lösungen für das Motivationsproblem 71
3.3Der Charme informaler Entlohnungen in Organisationen 76
3.4Die Grenzen informaler Belohnungssysteme 78
4Zur Erosion formaler Normen – Der Kontakt von Organisationen mit eingehegter Illegalität zu Organisationen mit entgrenzter Illegalität 83
4.1Epidemische und eingedämmte Regelabweichung 85
4.2Eine Frage der Loyalität – Organisationsmitglieder in Rollenkonflikten 89
4.3Kontaktflächen – Kooperationen zwischen Organisationen mit eingehegter und entgrenzter Illegalität 97
4.4Organisationen im Graubereich zwischen kontrollierter und unkontrollierter Regelabweichung 101
5Entstehung, Durchsetzung und Regulierung von Regelabweichungen 105
5.1Die Entstehung von regelmäßigen Regelabweichungen 109
5.2Das Erlernen von Regelabweichungen 113
5.3Die Herstellung von Kooperationsbeziehungen bei brauchbarer Illegalität 117
5.4Zur Durchsetzung informaler Erwartungen 120
5.5Öffnung und Schließung von Fenstern rationaler Kalkulationen 124
6Regelbuch statt Regelbruch – Reaktion auf das Bekanntwerden brauchbarer Illegalität 127
6.1Auf der Suche nach der transparenten, durchformalisierten Organisation 129
6.2Ungewollte Nebenfolgen einer Politik konsequenter Regelkonformität 134
6.3Das geschicktere Verstecken von Regelabweichungen 141
6.4Die Zerstörung des informalen Wissensmanagements 145
7Die Moralisierung der Organisation – Zur Produktion von Heuchelei 147
7.1Zum Unterschied von Legalität und Moralität 150
7.2Moral als Ausdruck der Achtung und Missachtung von Personen 155
7.3Moralisch aufgeladene Kulturprogramme als Aufforderung zur Heuchelei 158
7.4Die Akzeptanz der Funktionalität von Regelabweichungen 164
8Zum Management von Regelkonformität und Regelabweichung – Ein Fazit 167
8.1Regelkonformität und Regelabweichung als Sprichwörter des Managements 169
8.2Daumenregeln zum Umgang mit brauchbarer und unbrauchbarer Illegalität 171
8.3Die Thematisierbarkeit des Nichtthematisierbaren 174
8.4Auswege aus dem Prinz-von-Homburg-Dilemma 179
Anhang – Theoretische und methodische Überlegungen 183
Zur Konzeption des Buches 183
Empirischer Zugriff 185
Zur Anonymisierung der Empirie 190
Anmerkungen 197
Literatur 231
Despre autor
Stefan Kühl ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. Er arbeitet als Organisationsberater der Firma Metaplan für Ministerien, Verwaltungen, Unternehmen und Hochschulen. Zuletzt erschienen von ihm bei Campus »Wenn die Affen den Zoo regieren. Die Tücke der flachen Hierarchien«, »Das Regenmacher-Phänomen. Widersprüche im Konzept der lernenden Organisation« und »Sisyphos im Management. Die vergebliche Suche nach der optimalen Organisationsstruktur«.