Jüdische Filmgeschichte, davon geht dieser Band aus, steht quer zu Erzählungen des Nationalkinos. Sie lässt sich deshalb am besten von den Rändern der Filmgeschichte her schreiben. Im Rahmen des Forschungsnetzwerks ‘Deutsch-jüdische Filmgeschichte der BRD’ ist deshalb eine besondere Form kollaborativen Schreibens erkundet worden: Zu elementaren Stichworten werden kurze Texte unterschiedlicher Autor*innen versammelt, die ihren Fokus jeweils auf einzelne Anekdoten, Details und Irregularitäten legen, die zwar besonders auffällig oder beziehungsreich sind, die aber im wissenschaftlich und methodisch reflektierten Schreiben dennoch oft nur den Status von Fußnoten erlangen.
Dabei sind es durchaus methodische Überlegungen, die es geboten erscheinen lassen, eine deutsch-jüdische Filmgeschichte nach 1945 auf einer solchen Basis zu entwickeln: Die Jüdischkeit zahlreicher Filmschaffender in der Bundesrepublik kommt nämlich in der kanonischen Filmhistoriografie in der Regel nur durch vereinzelte Biografismen oder implizit verbleibende Zuschreibungen zur Geltung oder wird als lebensgeschichtliches Datum erwähnt. In jedem Fall gewinnt sie kein eigenes filmgeschichtliches Profil, sondern bleibt bruchstückhaft.
Die Kompilation solcher historiografischer Bruchstücke kann es jedoch ermöglichen, so die These, durch Serialität die darin enthaltenen Muster erkennbar zu machen und zugleich ein Mosaik unterschiedlicher Erfahrungen zu gewinnen. Darüber hinaus ermöglicht das kollaborative Schreiben, eine Vielzahl von Autor*innen, die mit ganz unterschiedlichen Perspektiven und mit spezifischen Expertisen zu einer Vielzahl von Archivbeständen, Nachlässen und Filmen arbeiten, zusammenzubringen und zueinander in Beziehung zu setzen.
Diese Serie wurde in der Zeitschrift Medaon bereits erprobt und erscheint nun in erweiterter Form auch als Buch.
Mit Beiträgen von Tobias Ebbrecht-Hartmann, Imme Klages, Simone Nowicki, Johannes Praetorius-Rhein, Raphael Rauch, Naomi Rolef, Claudia Sandberg, Ulrike Schneider, Lisa Schoß, Julia Schumacher, Tirza Seene und Lea Wohl von Haselberg.
Despre autor
Johannes Praetorius-Rhein ist Filmwissenschaftler und lebt in Frankfurt am Main. Zurzeit bringt er seine Promotion über Artur Brauners ‘Filme gegen das Vergessen’ zum Abschluss, die vom Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk mit einem Stipendium gefördert wurde. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in einem Projekt zum nichtfiktionalen Film der Nachkriegszeit und hat ein wissenschaftliches Netzwerk zur deutsch-jüdischen Filmgeschichte der BRD mitinitiiert. Er forscht und schreibt u. a. über Filmgeschichte und Geschichte in Filmen. Im Neofelis Verlag erschien der von ihm herausgegebene Band Schlechtes Gedächtnis? Kontrafaktische Darstellungen des Nationalsozialismus in alten und neuen Medien (hrsg. zus. m. Julia Schumacher / Lea Wohl von Haselberg).
Lea Wohl von Haselberg ist Film- und Medienwissenschaftlerin und schreibt zu deutsch-jüdischen Themen sowie Erinnerungskultur. Ihre Forschung ist an der Schnittstelle von Medienwissenschaften und Jüdischen Studien angesiedelt. Sie leitet verschiedene Forschungsprojekte an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, ist Mitherausgeberin des Magazins Jalta. Positionen zur jüdischen Gegenwart und Teil des Programmboards des Jüdischen Filmfestivals Berlin Brandenburg (JFBB). Im Neofelis Verlag erschien ihre Studie Und nach dem Holocaust? Jüdische Spielfilmfiguren im (west-)deutschen Film und Fernsehen nach 1945 sowie die von ihr herausgegebenen Bände Hybride jüdische Identitäten. Gemischte Familien und patrilineare Juden und Schlechtes Gedächtnis? Kontrafaktische Darstellungen des Nationalsozialismus in alten und neuen Medien (hrsg. zus. m. Johannes Rhein / Julia Schumacher).