Endlich erscheint jene Schrift im Druck, mit der Adolf Dresen, der eminente Regisseur, 1976 nach langem Anlauf Karl Marx’ Kapitalismus-Theorie einer grundlegenden Analyse unterzog; mit Anklang an einen Marx-Titel nannte er sie ‘Zur Kritik der Marxschen Ökonomie’. Das letzte Kapitel des theoretisch hochstehenden Exkurses setzte sich mit der gesellschaftlichen Realität der Länder auseinander, deren Wirtschaft sich auf die Marxsche Ökonomie-Theorie berief; vor allem dieses Schlusskapitel alarmierte das Ministerium für Staatssicherheit, dessen verdeckte Ermittler auch in die Berliner Theater eingeschleust worden waren.
Dresens Text war vor der Biermann-Ausbürgerung fertig geworden, die den Hoffnungen auf eine Reform des sowjetisch geprägten Monopolsozialismus für Jahre ein Ende setzte; 1977 erst nach Wien, später nach Westdeutschland übersiedelnd, hat der Autor das brisante Skript nicht weiter bearbeitet. Herausgegeben und kommentiert von Friedrich Dieckmann, einem seiner damaligen Gesprächspartner, erscheint der Text zusammen mit weiteren Materialien, darunter einer Kritik Dresens an der fast gleichzeitigen Systemanalyse Rudolf Bahros. In einer Zeit, da die Verwüstungen des global entgrenzten Finanzimperialismus Marx’ Theorien eine neue Aufmerksamkeit zuführen, gewinnt Dresens Untersuchung besondere Bedeutung.
Об авторе
Einflußreicher Regisseur in Ost- und Westdeutschland. 31.3.1935 Adolf Josef Fritz Dresen geboren in Eggesin, Vorpommern, als Sohn des Ingenieurs Adolf Dresen und seiner Frau Hedwig. Drei Schwestern. Vater vermißt seit den letzten Kriegstagen. Durch die Kirche frühe Berührung mit der Musik; Akkordeon-, später Klavierunterricht.
1944 Umsiedlung der Familie nach Hornburg bei Eisleben.
1946- 1952 Klosterschule, später Goethe-Schule, bei Roßleben an der Unstrut. Relegiert.
1953 Abitur in Thale/Harz.
1953-1959 Germanistik-Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Staatsexamen bei Hans Mayer: ‘Die Entstehung der bürgerlichen Komödie in Leipzig’. Laienspieler und Leiter der Studentenbühne. Inszenierung ‘Friede’ von Aristophanes/Feuchtwanger.
1955 — 56 Transportarbeiter im VEB Bodenbearbeitungsgeräte Leipzig-Plagwitz.
1958 Inspizient/Assistent am Kreistheater Werdau, Sitz Crimmitschau. Auftritte mit einer Agitpropgruppe, vor allem als Sänger.
1959 — 1962 Regisseur an den Städtischen Bühnen Magdeburg.
1960 Arbeit an einem Meliorationsprojekt der FDJ in der Wische (Meseberg).
1962 — 1964 Regisseur in Greifswald. 1964 Shakespeares ‘Hamlet’
(Übersetzung mit M. Hamburger), die Aufführung erregt Aufsehen, wird aber als politisch mißliebig schnell abgesetzt.
1963 Arbeit auf einem Bohrturm im Erdölkombinat Grimmen/Mecklenburg.1964 — 1977 Regisseur am Deutschen Theater Berlin. Drei Einakter von O’Casey ‘Der Mond scheint auf Kylenamoe’. 1968 zusammen mit Wolfgang Heinz ‘Faust I’, die Aufführung wird ideologisch kritisiert und zensiert. DDR-Erstaufführung von Isaak Babels ‘Maria’. Letzte Arbeit Kleists ‘Michael Kohlhaas’ in eigener Dramatisierung (Januar 1977).
1967 Arbeit im Eisenhüttenkombinat Ost, Eisenhüttenstadt.
1974 Erste Gastinszenierung im Westen mit Else Lasker-Schülers ‘Die Wupper’ an den Münchner Kammerspielen.
1977 Barlachs ‘Der arme Vetter’ in Basel, Schweiz. Dresen kehrt nicht ans Deutsche Theater zurück, behält aber die DDR-Staatsbürgerschaft.
1977-1981 Regisseur am Burgtheater Wien. Goethes ‘Iphigenie’, Gastspiele u. a. in Israel. Mit Lessings ‘Emilia Galotti’ als erster Inszenierung des Burgtheaters zum Berliner Theatertreffen.