Wie haben bewegte Bilder Einstellungen und Verhalten der Menschen in unserer globalen Mediengesellschaft beeinflusst?
Sexualaufklärungsfilme versuchten über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg, Einstellungen und Verhalten der Menschen zu formen. Sie zirkulierten ins europäische Ausland, in die USA und zurück. Ihr visueller und epistemologischer Referenzrahmen waren die Wissenschaften der Medizin, Pädagogik und Psychologie, was sich auch in der Zuschauerforschung spiegelte. Im Namen der Gesundheit des Körpers wurden stets Gefühle eingesetzt, doch die emotionale Kultur veränderte sich. Im Ersten Weltkrieg sollte Wissen über Syphilis Angst erzeugen und so Soldaten von ungeschützten Sexualkontakten abhalten. Im Weimarer Kino wurde die Bevölkerung gegen eine ‘falsche Scham’ mobilisiert. Im Frontkino des Nationalsozialismus wurde die Angst durch ein unbedingtes Vertrauen ersetzt. Während der Besatzungszeit wurde Verständnis gefordert, gerade für die junge Generation. Diese sollte dann durch ‘positive Emotionen’ in der DDR zur ‘sozialistischen Persönlichkeit’ erzogen, in der BRD zur Selbstführung befähigt werden. Die AIDS-Bekämpfung ließ die Gefühle mit dem zu vermittelnden Wissen verschmelzen. So erzählt die Geschichte des Sexualaufklärungsfilms nicht nur von der Konstituierung, sondern auch von der Steuerung einer globalen Mediengesellschaft.
Ausgezeichnet mit dem Otto-Hintze-Preis der Claudia-und-Michael-Borgolte-Stiftung.
Об авторе
Anja Laukötter, geb. 1972, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsbereich ‘Geschichte der Gefühle’ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und Co-Leiterin der internationalen ERC-Forschergruppe ‘The healthy self as body capital’ (Advanced Grant).