„Perm’-36“ im Ural ist die einzige Gedenkstätte in Russland, die sich auf dem Gebiet eines ehemaligen sowjetischen Straflagers befindet. Nachdem sie im Jahr 2014 von zivilgesellschaftlicher in staatliche Hand überging, nahm die neue Leitung grundlegende Veränderungen vor: So schloss man unter anderem eine Ausstellung zu ihren ehemaligen Insassen – den Dissidenten und den Kämpfern für die nationale Unabhängigkeit ihrer Sowjetrepublik. Zudem stellte man neue Schautafeln auf, auf denen der Beitrag der GULag-Häftlinge zum Sieg im „Großen Vaterländischen Krieg“ betont wurde. Diese konzeptuelle Neuausrichtung wurde in Russland in den Medien wie auch in sozialen Netzwerken lebhaft diskutiert.
In ihrer Untersuchung stellt Anke Giesen die verschiedenen Facetten der Debatte über die Veränderungen in „Perm’-36“ dar und analysiert sie. Der Leser macht Bekanntschaft mit den divergierenden „Gedächtnisinteressen“ in der Bevölkerung, erhält aber auch Einblick in die derzeitigen machtpolitischen Gegebenheiten und deren Einfluss auf die Entwicklung der Erinnerungskultur in Russland.
So wird deutlich, was im ›Land mit der unvorhersagbaren Vergangenheit‹ einer tief greifenden Aufarbeitung von stalinistischem Terror und der Repressionen der späteren Sowjetzeit entgegensteht, obwohl entsprechende Erfahrungen und Erinnerungen dort fast jede Familiengeschichte durchziehen.
Об авторе
Die Autorin:
Anke Giesen, Jahrgang 1964, studierte Slavistik, Germanistik und Erziehungswissenschaft in Münster, Moskau und Hamburg. Die vorliegende Untersuchung entstand im Rahmen des Forschungsprojekts „Geschichtsaneignungen in der Mediengesellschaft“ am Institut für Geschichte an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Derzeit arbeitet die Autorin als Referentin im Bereich der Pädagogenfortbildung beim Berliner Senat und engagiert sich im Rahmen der internationalen Gesellschaft Memorial für die Aufarbeitung des Sowjet-Kommunismus.
Der Vorwortautor:
Der Osteuropaexperte und Journalist Stefan Melle hat Osteuropastudien und Slawistik in Berlin und Moskau studiert. Ende der 1990er Jahre war er parallel zum Studium an der Erarbeitung der Dauerausstellung zum Sowjetischen Speziallager in Sachsenhausen bei Oranienburg beteiligt. Zurzeit ist er Geschäftsführer des DRA e.V., eines Vereins, der sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft insbesondere im osteuropäischen und postsowjetischen Raum einsetzt und mit mehreren Organisationen in der Permer Region Kooperationsbeziehungen unterhält.