Die 48 erhaltenen Briefe und Karten, die Adorno und Sohn-Rethel wechselten, dokumentieren eindringlich die mühevolle Geschichte von Alfred Sohn-Rethels Hauptwerk ‘Geistige und körperliche Arbeit’, vor allem die Anstrengungen und die frühen Entwürfe aus den Jahren 1936 und 1937.
Adorno, den Sohn-Rethel 1925 in Süditalien kennen lernte und mit dem er in den Jahren vor der Emigration gelegentlich zusammentraf, erschien ihm als idealer Leser der eigenen Entwürfe, ging es doch beiden seit Mitte der dreißiger Jahre um eine kritischen Überwindung des Idealismus, um dessen Überführung in dialektischen Materialismus. Sohn-Rethel hatte im Sommer 1936 seine Überlegungen zu einer Materialistischen Theorie der Erkenntnis in einem ersten Exposé zusammengefasst und dieses Adorno, ebenso wie auch Walter Benjamin und Max Horkheimer, zukommen lassen in der Hoffnung auf eine Mitarbeit am Institut für Sozialforschung, wenigstens aber auf Förderung seiner Arbeit. Adorno, der damals mit der Ausarbeitung der späteren ‘Metakritik der Erkenntnistheorie’ befasst war, erkannte die Nähe der Thesen Sohn-Rethels zur eigenen Konzeption. ‘Er kommt von einer gänzlich anderen Seite zu merkwürdig übereinstimmenden Ergebnissen mit meinem gegenwärtigen Versuch. Das gemeinsame Gespräch mit ihm halte ich sachlich für überaus belangvoll’, schrieb er an Benjamin. Nach Adornos Übersiedlung in die USA war das ‘gemeinsame Gespräch’ ausschließlich auf Briefe verwiesen. Die Beziehung Adornos zu Sohn-Rethel wird in diesem Band der Reihe ‘Dialektische Studien’ zum ersten Mal unentstellt dokumentiert.
Об авторе
Christoph Gödde ist Mitarbeiter am Theodor W. Adorno Archiv in Frankfurt.