Wie hat sich die Musikwissenschaft nach 1945 neu positioniert? Im Fokus dieser Studie stehen Institutionen, Personen, Forschungsthemen und Lehrveranstaltungen an den deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten sowie die Frage nach der Entnazifizierung. Die Disziplin suchte ihren Ort in den ästhetischen, kulturpolitischen und gesellschaftlichen Debatten der Zeit. Sie positionierte sich als philologische Disziplin und als angewandte Wissenschaft, die am Wiederaufbau des Musiklebens im Nachkriegsdeutschland mitwirkte. Viele ihrer Vertreter verschwiegen oder verleugneten ihre problematische Vergangenheit im NS-Staat. Belastete und unbelastete Musikwissenschaftler versuchten indes gemeinsam, die unterschiedlichen kulturpolitischen und musikästhetischen Rahmenbedingungen sowie persönliche Netzwerke in den einzelnen Besatzungszonen und in den beiden neu entstandenen deutschen Staaten für das Fach zu nutzen. Mit dem Wieder- bzw. Neuaufbau von Universitäts- und Forschungsinstituten gelang die Etablierung und methodisch-thematische Erweiterung des Fachs, dessen frühe Nachkriegsstrukturen vielfach bis heute prägend sind. Die Studien entstanden im DFG-Forschungsprojekt ‘Wissenschaftsgeschichte und Vergangenheitspolitik. Musikwissenschaft in Forschung und Lehre im frühen Nachkriegsdeutschland’ (Mannheim und Tübingen).
Содержание
— Zur Schriftenreihe ‘Kontinuitäten und Brüche im Musikleben der Nachkriegszeit’
— Einleitung
— Jörg Rothkamm: ‘Terror der Avantgarde’ oder ‘vorwärtsweisend zu Schönberg’? Kontinuitäten und Brüche in der fachgeschichtlichen Rezeption der Neuen Musik in Deutschland 1945 bis 1955/60
— Jörg Rothkamm: Neuanfang im Geiste Guido Adlers? Die Entnazifizierung der Hamburger Musikwissenschaft und der Einfluss Heinrich Husmanns bis heute
— Jörg Rothkamm/Jonathan Schilling: Zweiundvierzig Persilscheine und die Neue Musik. Hans Engels Weg an die Universität Marburg und sein Wirken in der frühen Nachkriegszeit
— Jörg Rothkamm: Die Mainzer Nachkriegsmusikwissenschaft und die Hochschulkommission der Gesellschaft für Musikforschung unter Arnold Schmitz Kontinuitäten mit Ernst Laaff und Albert Wellek sowie Netzwerke mit Friedrich Blume und Heinrich Besseler
— Anne-Marie Wurster/Jörg Rothkamm: ‘Im Dienste der völkerverbindenden Kunst Beethovens’. Joseph Schmidt-Görg als Ordinarius des Bonner Musikwissenschaftlichen Seminars und Direktor des Beethoven-Archivs
— Christina Richter-Ibáñez: ‘… für das Fach verloren’? Musikwissenschaft an der Universität Tübingen 1935 bis 1960
— Michael Malkiewicz: Personalentscheidungen an musikwissenschaftlichen Lehrstühlen nach 1945. Zur Bewertung von Publikationen am Beispiel von Karl Blessinger und Werner Korte
— Thomas Schipperges: Heinrich Besseler und seine Schule in Jena 1950 bis 1957
— Kateryna Schöning: Der ‘Fall H.’. Günter Haußwald und Veränderungen im Fach Musikwissenschaft in der DDR 1949 bis 1956
— Lars Klingberg: Georg Knepler und die gescheiterten musikwissenschaftlichen Publikationsprojekte in der DDR in den 1950er und 1960er Jahren
— Christina Richter-Ibáñez/Jörg Rothkamm/Thomas Schipperges: Verzeichnis der musikwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen an deutschen Hochschulen 1945 bis 1955
— Chronologisches Literaturverzeichnis zur Fachgeschichte der Musikwissenschaft im frühen Nachkriegsdeutschland
— Abkürzungsverzeichnis
— Autorinnen und Autoren
— Personenregister
Об авторе
Jörg Rothkamm ist Akademischer Rat und Privatdozent am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Tübingen und war stellv. Leiter des von der DFG geförderten Projekts ‘Wissenschaftsgeschichte und Vergangenheitspolitik’ in Mannheim und Tübingen.
Thomas Schipperges ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Tübingen und leitete das DFG-Projekt ‘Wissenschaftsgeschichte und Vergangenheitspolitik’. 2005 publizierte er ‘Die Akte Heinrich Besseler. Musikwissenschaft und Wissenschaftspolitik in Deutschland 1924 bis 1949’.