
Mit der Frage nach literarischen Darstellungen des Heidnischen konzentrierte sich die Germanistik lange Zeit vor allem auf zwei favorisierte Themen- bzw. Textfelder, die nicht zufallig dem Bereich der Chanson de geste zugerechnet werden: Unter dem Aspekt kategorialer Unversohnbarkeit von religiosen Differenzen steht zum einen die altfr. Chanson de Roland bzw. deren mhd. Bearbeitung, das Rolandslied des Pfaffen Konrad, im Blickpunkt. Zum anderen ist mit dem Stichwort der sog. religiosen Toleranz’ jene Forschungsdebatte angesprochen, die in der germanistischen Mediavistik insbesondere im Blick auf Wolframs Willehalm immer wieder zum Gegenstand der Analyse gemacht wurde. Die Studie betrachtet — ganz bewusst jenseits der Extrempositionen von Rolandslied und Willehalm — anhand exemplarischer Fallstudien Konzeptionen des Heidnischen’ in literarisch produzierten und reproduzierten Weltbildern und untersucht die daruber vermittelten kulturellen Semantiken und textuellen Muster. Anstelle des Aufgreifens der genannten Kategorien (radikale Ablehnung/Toleranz gegenuber dem Heidnische’) werden konkrete Veranderungen, Uberschneidungen und Wechselbeziehungen beschrieben, die uber die genannten Kriterien hinausgehen bzw. diese neu beleuchten.