Die Krisenserie zu Beginn des 21. Jahrhunderts, von der Finanz- und Eurokrise bis zur Flüchtlings- und Populismuskrise, hat die vorgängigen Normalitäten in vielen Dimensionen beeinträchtigt. Das lässt sich als Denormalisierung begreifen und wirft die Frage auf, wie soziokulturelle Normalitäten produziert und reproduziert werden. Darauf antwortet das hier aktualisierte, diskurstheoretische Konzept des Normalismus. Kann die Krisenserie sogar zu einem »Ende der Normalität« (Gabor Steingart) führen und was würde das bedeuten? Das ist die Frage nach einer belastbaren Bedeutung des in den USA entstandenen Konzepts eines New Normal: Wenn es das Ende der Krisenserie meinen sollte – was unterscheidet es dann von einem »Old Normal«? Und wie verhält sich ein New Normal zum ebenso schillernden Begriff einer Postmoderne? Die Antwort der Studie auf solche Fragen kombiniert die Kategorien des Normalismus und des Antagonismus. Sie schlägt ein gegenüber seiner dialektischen Herkunft neues, diskurstheoretisch fundiertes und operatives (empirisch belastbares) Konzept von Antagonismus als tendenziell irreversible Denormalisierung vor. Mit diesem Instrumentarium wird zunächst die Postmoderne (einschließlich der anderen »Postismen«) als das Konzept einer vorgeblich historischen Epoche ohne Antagonismen gefasst. Anschließend werden die Krisenserien unter diesem Aspekt analysiert und ein vorläufiges Prozessschema der Krisenverläufe erstellt. Dabei wird auch die Krise der politischen Normalität (Populismuskrise) transparent. Daraus ergibt sich ein Ausblick auf die Alternative zwischen der Gefahr eines katastrophischen Kollapses des Normalismus auf der einen und transnormalistischen Auswegen auf der anderen Seite.
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Dr. Jürgen Link ist emeritierter Professor für Literaturwissenschaften an der Universität Dortmund.