Was bleibt, wenn aus Radikalität Geschichte wird?
Hundert Jahre liegt der Geburtstag von Franco Basaglia zurück. Der Psychiater aus Norditalien war dort und später weltweit Wortführer einer revolutionär kritischen Bewegung, die nichts weniger als die Überwindung der Anstalten forderte. Wo stehen wir jetzt und was ist von Basaglia geblieben?
Viele Gedanken und Ansätze, die die europäischen Reformbewegungen der 1968er hervorbrachten, sind heute entweder im täglichen Arbeitsleben eingehegt worden oder aber vergessen. Ein Mensch, der so prägend für unser Verständnis von sozialem Miteinander und Teilhabe war, verdient nun mehr als ein bloßes Auftauchen aus den Wogen der Geschichte. Basaglias Erbe steht für den Dreiklang aus Praxis, kritischer Theoriebildung und Utopie: Dies ist der Kern jeder Kreativität und Erneuerung.
In den gesammelten Worten, sowohl seinen eigenen als auch der nachfolgenden Generation, zieht eine vielstimmige und multidisziplinäre Gruppe von Autorinnen und Autoren aus Italien und Deutschland ein Zwischenfazit: Haben sich die Konflikte der Vergangenheit wirklich aufgelöst oder nur ihre Form geändert? Wie positionieren sich die psychiatrischen Dienste (oder wir uns) in einer sich wandelnden Gesellschaft und stehen wir wieder am Anfang der Erneuerung der Psychiatrie?
Содержание
Radikales Denken, optimistisches Handeln
Zur Aktualität von Franco Basaglias Denken und Wirken –
ein grenzüberschreitendes Buchprojekt anlässlich seines 100. Geburtstags
Jörg Utschakowski, Kirsten Maria Düsberg & Luciana Degano Kieser ……………………7
Historische Einführung: Basaglia, ein europäisches kulturelles Erbe
Kirsten Maria Düsberg, Thomas Becker & Luciana Degano Kieser……………………………12
Zeit zum Denken, Zeit für die Freiheit
Maria Angela Bertoni…………………………………………………………………………………………25
Teil I Denken, Sprechen, Handeln………………………………………………………………………………………………….29
Zum Thema psychische Gesundheit: Ideologie und Praxis
Vortrag
Franco Basaglia………………. ………………………………………………………………………………..30
Nach dem Krankenhaus im Territorium: Über Zerstörung, Transformation und Aufbau
Auszug aus einem Interview
Franco Basaglia & Ernesto Venturini……………………………………………………………………..39
»… aus einem offenen Raum zu fliehen ist ja absurd«
Auszug aus einem Interview
Nino Vascon & Furio………………………………………………………………………………………………44
Schutz, Rechte und Disziplinarwissen
Rede zur Verleihung der Ehrendoktorwürde
Franca Ongaro Basaglia………………………………………………………………………………………………..49
»Die erfundene Institution«
Franco Rotelli………………………………………………………………………………………………62
Teil II Erfahrungen, Reflexionen, Konzepte………………………………………………………………………………….75
Über Erfahrungswissen und epistemische Ungerechtigkeit
Luciana Degano Kieser………………………………………………………………………………………………….76
Deinstitutionalisierung – ein soziales Unternehmen
Felicitas Kresimon…………………………………………………………………………………………………………85
»Bis ins Mark getroffen«: Ein deutsch-italienischer Grenzgang mit Blick auf die Psychiatriegeschichte
Kirsten Maria Düsberg……………………………………………………………………………………………………93
Alltags- und Lebensweltorientierung
Der Einfluss des Denkens und Handelns von Franco Basaglia auf sozialpsychiatrisches Handeln
Klaus Obert…………………………………………………………………………………………………………………………104
»Im Schatten der Anstalt kein Leben im Territorium«
Klaus Pramann…………………………………………………………………………………………………..114
Wir müssen uns jeden Tag neu erfinden
Jörg Utschakowski……………………………………………………………………………………..121
Basaglia: Erfahrungsexpert*innen aus Italien erzählen
Silvana Hvalic, Federica Mangione, Susanna Brunelli, Eva Campioni, Elena Cerkvenic, Andrea Puecher, Andrea Saibene, Costanza Tuor &
Andrea Zanon……………………………………………………………………………………………………128
Franco Basaglia und die Psychiatrieerfahrenen von Gorizia
Andreas Jung…………………………………………………………………………………………………………….137
Der Ruf der Angehörigen nach einer demokratischen Psychiatrie
Wie aktuell ist Basaglia?
Gudrun Weissenborn…………………………………………………………………………………………………146
Die Bewegung der Familienangehörigen in Italien und Franco Basaglias Denken und Wirken
Gisella Trincas…………………………………………………………………………………………………………………..153
WHO-Guidance und die negierte Institution
Triest als Good-Practice-Beispiel für die psychiatrische Versorgung
Martin Zinkler………………………………………………………………………………………………………………..161
Teil III Schlaglichter und Debatten……………………………………………………………………………….171
»La cura« – eine Praxis der »begleitenden Sorge« im Territorium wartet auf theoretische Fundierung
Benedetto Saraceno……………………………………………………………………………………………………………172
Ein Fokus auf die aktuelle Lage der Dienste für Psychische Gesundheit in Italien: Licht- und Schattenseiten
Fabrizio Starace…………………………………………………………………………………………………………………184
Überwindung von Zwang und Gewalt in der Akutpsychiatrie
Der Psychiatrische Dienst in Meran
Verena Perwanger………………………………………………………………………………………………………..194
Mit Franco Basaglia und Frantz Fanon über die »Pathologien der Staatsbürgerschaft« nachdenken
Roberto Beneduce & Simona Taliani……………………………………………………………………………………202
»Das hier ist noch nicht die Revolution, Leute«
Interview über die Freundschaft und Zusammenarbeit von Franco Basaglia und Erich Wulff
Lisa Schmidt-Herzog & Edith Toubiana…………………………………………………………………….212
Biografische Skizzen…………………………………………………………………………………………….219
Об авторе
Jörg Utschakowski ist Diplom-Sozialarbeiter und Leiter des Psychiatriereferates des Landes Bremen. Er initiierte das EU-Projekt EX-IN und ist im Bundesvorstand des Vereins EX-IN Deutschland, der Psychiatrieerfahrene in die psychiatrische Praxis integriert.