Im Pop lag stets ein Befreiungsversprechen. Doch sein antihierarchisches Moment wurde in den bundesrepublikanischen 80er Jahren ausgerechnet durch seine lautstärksten Verfechter konterkariert. Damals entwickelten Autoren wie Diedrich Diederichsen, Rainald Goetz oder Thomas Meinecke die popintellektuelle performative Diskursform der »Sophistication«, welche anspielungsreich mit erlesenen Bildungsfrüchten aus Hoch- und Populärkultur jonglierte. Ihre geistreiche Verbindung von Kritik und Ästhetik war zugleich ein probates elitistisches Mittel der narzisstischen Distinktion. Als auf die Waffen des Geschmacks zurückgreifende Selbstinszenierungstechnik stand sie, wie die erste grundlegende Analyse dieser Kommunikationsform zeigt, dem exklusionistischen bürgerlichen Habitus der Kultiviertheit sowie der geistesaristokratischen Attitüde einiger Konservativer Revolutionäre der Zwischenkriegszeit näher, als ihre sich gern der politisch »progressiven« Seite zuschlagenden Vertreter wahrhaben mochten.Auf den Trümmern der von den Gegenkulturen der 60er und 70er Jahre angegriffenen bourgeoisen kulturellen Kanons errichtete das neue Bildungsbürgertum des Pop keine Gesamtschulen, sondern private Internate für jene Geschmackselite, die das in Form popintellektuellen Wissenskapitals zu entrichtende Schulgeld aufbringen konnte.
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Dr. Nadja Geer studierte an der FU Berlin Germanistik und Amerikanistik und an der HFF München Kulturjournalismus. Sie schreibt für »Die Zeit« und die »taz« und lebt in Berlin. Seit Herbst 2012 ist sie Mitherausgeberin der interdisziplinären akademischen Zeitschrift »Pop – Kultur und Kritik«.