Schreiben oder Programmieren? Die Geschichte einer wechselhaften Beziehung und ein leidenschaftliches Plädoyer für die Fähigkeiten der Literatur.
Experimente mit computergenerierten Texten sorgen zunächst für Erstaunen, um dann zu beruhigtem Abwinken zu verleiten: Gute Romane, heißt es, schreibt der Computer (noch) nicht. Doch vor dem Hintergrund des Siegeszugs der Künstlichen Intelligenz gerät die Geschichte der Mechanisierung des Schreibens in den Blick. Wie sich Schreiben und Programmieren zueinander verhalten, rekonstruiert Philipp Schönthaler in dieser groß angelegten Studie. Sein überraschender Gang durch die Geschichte der Literatur eröffnet der gegenwärtigen Diskussion einen faszinierenden Tiefenraum, der Alarmismen wie Heilsversprechen fraglich werden lässt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übersetzen die europäischen Avantgarden die Produktionsweisen der Industriellen Revolution in neue Schreibtechniken und legen damit den Grundstein für eine Literatur aus dem Geist des Computers. Doch Computer und Kybernetik spalten bereits das Feld der Neo-Avantgarden. Gleichzeitig mit den ersten an Rechenanlagen erzeugten Texten entwickeln sie Schreibweisen
einer nichtprogrammierbaren Literatur. Sie machen deutlich, dass Schreiben und Programmieren an unterschiedliche Selbstbestimmungen und Modi der Welterschließung anknüpfen. Angesichts der Automatisierung als globalem Prinzip zeigt ‘Die Automatisierung des Schreibens’ Literatur als Gegenentwurf zu einer algorithmisch modellierbaren Realität, der scheinbar keine Grenzen gesetzt sind. Der Herausforderung stellen kann sich das literarische Schreiben aber nur, wenn es sich auf die Allgegenwart des Digitalen einlässt.
Об авторе
Philipp Schönthaler, 1976 in Stuttgart geboren, erhielt 2012 für sein Erzähldebüt Nach oben ist das Leben offen den Clemens-Brentano-Preis. Bei Matthes & Seitz Berlin sind bisher fünf Bücher erschienen, der Essay Portrait des Managers als junger Autor wurde 2016 mit dem Preis des Stuttgarter Wirtschaftsclubs ausgezeichnet. Sein Roman Der Weg aller Wellen. Leben und Dienste II setzt die im Erzählband Vor Anbruch der Morgenröte. Leben und Dienste I (2017) begonnene Auseinandersetzung mit der Technologie fort. Er lebt in Berlin.