Im April 1719 reist Gotthilf August Francke (1696–1769), der Sohn des Halleschen Waisenvaters August Hermann Francke, nach Jena, um dort sein Theologiestudium aufzunehmen. Erstmals längere Zeit von der Familie getrennt, pflegt er einen intensiven Briefkontakt zu seiner Mutter. Ein vertrauensvolles Verhältnis innerhalb einer vom halleschen Pietismus geprägten Familie spiegeln diese Briefe wider, in denen der junge Francke alle zwei Tage von seinem Ergehen am Studienort, seinen Lebensumständen, seinen Begegnungen mit Kommilitonen und Freunden, seinen gesundheitlichen Schwierigkeiten und seiner persönlichen Entwicklung erzählt. Durch die Dichte, den Detailreichtum und die farbige Schilderung erhalten wir einen guten Einblick in die Geschichte des privaten Lebens im 18. Jahrhundert.
Die Briefsammlung, die im Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle aufbewahrt wird, liegt hier erstmals in einer kommentierten, kritischen Edition vor. Es handelt sich um das früheste Zeugnis des jungen Francke, der als Nachfolger seines 1727 verstorbenen Vaters die damals sog. Glauchaschen Anstalten ausbaute und ihre weltweiten Verbindungen intensivierte.