800: Karl der Große, 1492: Eroberung Amerikas, 1789: Französische Revolution, 1933: Machtergreifung Hitlers, 1962: Zweites Vatikanum, 1973: mein Geburtsjahr, 1989: Fall der Mauer, 2005: unsere Hochzeit – jeder Schlag auf der Rudermaschine erinnert an ein Ereignis. Ein meditativer sportlicher Durchflug durch Welt- und Lebenszeit. Und dann Gewichte stemmen: ‘Schwerkraft und Gnade’ (Simone Weil). Alltag unterbrechen und den Kopf frei bekommen. Sich selbst und das Leben wieder spüren. Im Körper sein und die eigenen Grenzen Stück für Stück hinausschieben: Mc Fit als Ort der Menschwerdung.
Vom Fitnessstudio auf die Laufstrecke. Laufen ist für mich pure Freiheit: Laufschuhe anziehen und los geht’s! So wie auch meine Radtour nach Marokko 1996 ein Sommer der Freiheit war. Laufen (oder Radfahren) heißt in den Flow kommen. Die Gedanken ziehen lassen und dabei auch immer wieder ins Gebet hinübergleiten. Beten mit den Füßen. Ein Artikel über Jogging-Exerzitien (Inspiration durch Transpiration; LS 1/2008) war denn auch mein erster Beitrag in der Lebendigen Seelsorge.
Von der Laufstrecke auf den Gebetsteppich. Er liegt in einer Ecke meines Arbeitszimmers. Dazu gibt es einen Taizé-Schemel, eine Bibel und eine Kerze. Auch hier inkarnierte Spiritualität. Tiefe Verneigungen bis zur Körpermitte, das habe ich bei den französischen Dominikanern kennengelernt – hier praktiziere ich sie wie unsere muslimischen Geschwister: Gloire au Père tout puissant (aufrecht sitzend, Blick nach vorne), à son fils Jésus Christ le Seigneur (Verneigung bis zum Boden, den tiefsten Punkt der Inkarnation berührend), à l’Esprit qui habite en nos coeurs (sich aufrichtend, mit erhobenem Haupt).
Exerzitien und exercises gehören für mich zusammen. Denn beides sind schließlich Übungen: geistliche und sportliche. Spirituelle Lockerungsübungen für alltägliche Verkrampfungszustände, Intensivierungen des eigenen Lebens. In meinem persönlichen Reliquienschrein befindet sich daher auch der Plastikpull von meinem ersten eigenen Fallschirmsprung: freier Fall ins Glück, Spiritualität des ganzen Körpers. Inkarnatorische Frömmigkeit als Training gegen die Schwerkraft des Alltags.
Diese Ausgabe der Lebendigen Seelsorge lädt zu einer spirituellen Trainingseinheit ein, bei der geistlich wache Zeitgenoss:innen die sportlichen Ressourcen ihrer je eigenen, christlich geprägten Spiritualität teilen – jesuanisch
inspiriert und daher dann auch befreit zum Einsatz für eine bessere Welt. Ganz locker, ohne jeden Wiederholungszwang, aber mit einer erfrischenden Inspirationsgarantie.
Об авторе
Ute Leimgruber, Dr. theol., Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik
an der Universität Regensburg.