Als Horkheimer und Adorno in den fünfziger Jahren mit Blick auf die deutsche Öffentlichkeit konstatierten, es gäbe keine Antisemiten mehr, implizierten sie damit die veränderten Erscheinungsformen von Antisemitismus. Vor dem Hintergrund der deutschen NS- Vergangenheit tabuisiert, ist die Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden latent geworden. Ihre Artikulation musste sich nun anders Bahn brechen, in mehr oder minder verhohlenem Ressentiment. Bis heute hat sich an diesem Verhältnis wenig geändert. Der sekundär gewordene Antisemitismus schwelt unter der Folie vermeintlicher Parteinahme für die Opfer der Shoah über alle Grenzen gesellschaftlicher Schichten und politischer Couleur hinweg. So etwa wenn verkürzte Kritik am zunehmend enthemmten globalen Kapitalismus auf antisemitische Klischees wiedie Unterscheidung zwischen „schaffendem“ und „raffendem Kapital“ zurückgreift, oder der Staat Israel delegitimiert, dämonisiert und nach Doppelstandards bewertet wird. Die hier bedienten antisemitischen Stereotype finden verzerrt ihr Äquivalent im eliminatorischen Antisemitismus des NS. Diese und andere Phänomene zu decouvrieren soll das Anliegen der hier vorgestellten Publikation werden.
Innehållsförteckning
Kritik des Antisemitismus als Gesellschaftskritik. Judenfeindschaft, antikapitalistische Ressentiments und Israelhass.- Vom Ressentiment zum Massenwahn. Eine Einführung in die Sozialpsychologie des Antisemitismus und die Grenzen psychoanalytischer Erkenntnis.- Weltanschauung und Leidenschaft. Überlegungen zu einer integrativen Theorie des Antisemitismus.- Plädoyer für eine Kultursoziologie des Antisemitismus.- Antisemitismus und Antiziganismus als beständige Krisenideologien der Arbeitsgesellschaft.- „‚Reich‘ ist ein jüdischer Name“. Kontinuitäten antisemitischen Sprachgebrauchs in den neuen Medien.- „Deutsche fordern: Juden raus“. Antisemitismus nach Auschwitz im Alltagsdiskurs der 1950er Jahre.- „And I didn’t end up dead because I’m a survivor.“ Ein Blick auf die Langzeitwirkungen der Shoah.- Hinter dem Ruf nach deutscher Arbeit verschanzt sich die Volksgemeinschaft. Überlegungen zu einem vernachlässsigten Element des Nationalsozialismus.- Von der friedfertigen Antisemitin zur queer-theoretischen Post-Zionistin.- Gegen „närrischen Individualismus“ und „Sexlust“. Zur affektiven Attraktivität der Imagination gesellschaftlichen Heils im „Nationalen Widerstand“.
Om författaren
Charlotte Busch ist Mitglied der association réplique critique und der Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie.
Martin Gehrlein ist Mitglied der association réplique critique, der Initiative Studierender am IG Farben Campus und der Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie.
Tom David Uhlig ist Mitglied der association réplique critique und der Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie sowie Mitherausgeber der Freien Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie.