Die Ausnahme denken zu können, heißt zu bestimmen, was die Regel ist, wodurch sie zu ihrer konstanten Gefährtin wird. Allen Theoretikern des Ausnahmezustands, Walter Benjamin, Carl Schmitt und Giorgio Agamben ist die strikte Unterscheidung von Recht und Nicht-Recht gemein. Dieses grundsätzlich theoretische Konzept wurde übernommen und auf andere dichotome Konstellationen übertragen. So lassen sich Laborsituationen als die Normalisierung von Ausnahmesituationen beschreiben, als bewusst notwendige Vernaturierung von Artefakten. Ein Effekt dieser Transformation kann die Vernaturierung visueller Laborerzeugnisse sein, um sie den Wahrnehmungsgewohnheiten ähnlich zu machen. Bildtechniken des Ausnahmezustands sind nicht notwendig aussergewöhnliche Techniken. Der Rückgriff auf tradierte Bildmittel oder Motive kann in Krisensituationen ebenso aufklärend sein, wie scheinbar unpassende Medien und Genre.
Es ist zur Mode geworden, vom Ausnahmezustand als permanenten Zustand zu sprechen. Meist geschieht dies mit einem mittelbaren oder auch unmittelbaren, ebenso häufig aber verkürzten Bezug auf Walter Benjamin. Ein Effekt dieser Rede betrifft den Status des Bildes selbst. Gemeint ist die Reaktivierung des Bildes als magisch, als – in einer Uminterpretation Agambens – imago sacer. Dadurch wird nicht etwa dem Bild seine Besonderheit als eine mögliche Wirklichkeitsdarstellung zuerkannt, sondern das Bild wird als solches aus der Wirklichkeit, im Sinne der empirischen Erfahrung und der Zugänglichkeit, herausgenommen und der Sphäre des Religiösen angeeignet. Die Antwort auf die Frage, was für die Behauptung einer bloßen Existenz des Bildes alles suspendiert wird, bleibt diese Bildtheorie schuldig.
Die Beiträge gehen den bildlich fixierten Zuständen dieser differenziert gefassten Ausnahme, aber auch der Regel nach und beleuchten beides in ihrer unterschiedlichen bildtechnischen Verfasstheit.
Innehållsförteckning
Michael Zimmermann: Das Bild als Ausnahmezustand. Nancy und Agamben Giorgio Agamben: Körper ohne Worte. Gegen die biopolitische Tätowierung Otto Karl Werckmeister: Die zeitgeschichtliche Bilderfrage Stefan Schweizer, Hanna Vorholt: Bildlichkeit und politische Legitimation im Vorfeld des Irakkriegs 2003 Jochen Hennig: Vom Experiment zur Utopie: Bilder in der Nanotechnologie Ole Frahm: ’These papers had too many memories. So I burned them’. Genealogisches Eingedenken in Art Spiegelmans Comic MAUS Reinhart Meyer-Kalkus: Der gefährliche Augenblick – Ernst Jüngers Fotobücher Margarete Vöhringer, Michael Hagner: Wsewolod Pudowkins ’Mechanik des Gehirns’ – Film als psychophysiologisches Experiment Jörg Trempler: Inszenierung der Erdgeschichte. Vesuvausbrüche im späten 18. Jahrhundert Caroline Behrmann, Arne Karsten, Philipp Zitzlsperger: Grabkultur und Krisenmanagement