Solidarität ist eine zentrale politische Emotion, von der es gerade in den gegenwärtigen politischen Verhältnissen mehr braucht. Sie bestimmt alltägliche politische Zusammenhänge und Auseinandersetzungen in einer Stadt, aber auch das Parteiergreifen in politischen Konflikten, die ‘uns’ zunächst ‘fern’ erscheinen. Wie Solidarität sich theatral erforschen und von ihr erzählen lässt, hat das Theaterkollaborativ Futur II Konjunktiv im Laufe von zwei Jahren in unterschiedlichen performativen Formaten, zwischen Recherchestück und Tischgesprächen, untersucht.
Ein zentrales Thema war die internationale Unterstützung des demokratischen Konföderalismus in Rojava / Nordsyrien durch internationale Freiwillige, die dorthin gehen, um das basisdemokratische, emanzipatorische Projekt medizinisch oder militärisch im Bürgerkrieg gegen den IS zu unterstützen. Mit mehreren Internationalist*innen aus Deutschland und den USA führte Futur II Konjunktiv Gespräche, basierend auf ihren Berichten schrieb Matthias Naumann den Theatertext Ich lege meine Heimat nach Rojava, der von Johannes Wenzel inszeniert wurde.
Ebenso entstand das Stück Zertritt dir die Füße, nur Mut in kollaborativer Theaterarbeit. Der Text entwirft ein apokalyptisches Roadmovie nach dem digitalterroristischen Kollaps der Finanzmärkte, welcher Möglichkeiten anderer ökonomischer Beziehungsweisen verspricht. Vier machen sich auf die Suche nach dem Ort eines solchen anderen Zusammenlebens, nach einer solidarischen Ökonomie. Inszeniert wurde das Stück mit vier Spieler*innen / Tänzer*innen und dem Opernchor Trier.
Neben den Stücktexten und Bildern der beiden Uraufführungen dokumentiert das Buch auch die anderen Teile des Doppelpass-Projekts ‘Hoch die internationale Solidarität!’, wie die Soliparty, den Stadtparcours des Wünschenswerten, mehrere Kurzfilme und eine diskursive Auseinandersetzung über Gespenster des Kommunismus. Utopie und Solidarität heute aus Anlass von Karl Marx’ 200 Geburtstag. Beiträge von an den Tischgesprächen beteiligten Theoretiker*innen führen den dort begonnenen Diskurs weiter.
เกี่ยวกับผู้แต่ง
Futur II Konjunktiv arbeitet an der Erforschung sozialer und politischer (Wert-)Verhältnisse der Gegenwart und Zukunft sowie an der Entwicklung neuer Erzählformen. Es geht darum, Formen des Gemeinsam- und Vereinzelt-Seins – als Chor, isolierter Gedanke, dialogisch oder als Multitude – zu verstehen und diese sprachlich, theatral, körperlich, diskursiv, bildlich zu ergründen; formal wie auch inhaltlich mit Mitteln des Recherche-, Diskurs- und Dokumentartheaters, mit Pop-, historischen, kontrafaktischen und Sci Fi-Elementen.
Das Berliner Theaterkollaborativ wurde 2014 von dem Autor Matthias Naumann und dem Regisseur Johannes Wenzel gegründet und im Frühjahr 2017 um die Bühnen- und Kostümbildnerin Cristina Nyffeler erweitert. Seitdem Arbeiten in unterschiedlichen performativen und medialen Bereichen, diese mischend sowie wechselnd mit anderen Künstler*innen.
Matthias Naumann ist Autor, Übersetzer und Verleger; studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt am Main, Tel Aviv und Paris. 2002 mit Eva Holling Gründung von manche(r)art, seither Performances, Ausstellungen, Lectures und Prosa. 2006–2008 mit Stefanie Plappert wissenschaftliche Leitung der Erstellung des Wollheim Memorials, Frankfurt am Main, dabei Umsetzung eines Interviewprojekts mit Überlebenden des KZ Buna/Monowitz. 2011 Gründung und seitdem Leitung des Neofelis Verlag, Berlin. Übersetzer israelischer Theaterstücke ins Deutsche, u.a. von Hanoch Levin, Yonatan Levy und Maya Arad; arbeitete als freier Dramaturg und Kurator u.a. für Tmuna-Theater, Tel Aviv, Deutsches Theater Göttingen, en/COUNTERs in and between Israel and Germany (Center for Contemporary Art, Tel Aviv / Künstlerhaus Mousonturm, Frankfurt am Main); 2013–2017 Kurator für die Mülheimer Fatzer Tage am Ringlokschuppen Ruhr. Seine Stücke waren zu den Autorentheatertagen 2013 am Deutschen Theater Berlin und zum Heidelberger Stückemarkt 2014 eingeladen. 2014 mit Johannes Wenzel Gründung des Theaterkollektivs Futur II Konjunktiv, seitdem unterschiedliche gemeinsame Arbeiten, z.B. Doppelpass ‘Hoch die internationale Solidarität!’ am Theater Trier (2016–2018) mit u.a. dem Recherchestück Ich lege meine Heimat nach Rojava (UA 24.03.2017, abgedruckt in ‘Hoch die internationale Solidarität!’, Neofelis 2021), sowie nicht von hier irgendwo (UA 12.04.2018 Hoch X München); Auf dem Paseo del Prado mittags Don Klaus (UA 29.02.2020, Staatstheater Augsburg).
Johannes Wenzel ist Regisseur. 1997–2003 Studium der Philosophie, Germanistik und arts du spectacle in Heidelberg und Montpellier. Seit 2007 als Regisseur u.a. tätig am HAU (Berlin), Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Schauspiel Köln, Staatstheater Augsburg, Theater Erlangen, Staatstheater Braunschweig, Theater Trier und Ringlokschuppen Ruhr.