Wenn die Finanzspekulation im Herzen des ‘institutionellen Imaginären’ der westlichen Gesellschaften (Cornelius Castoriadis) angesiedelt ist, so ist auch der Film als Teil dieses institutionellen Imaginären zu betrachten. Wie die großen Dramen Hollywoods werden die Weltfinanzmärkte als ‘Wissensartefakte’ heute ausschließlich auf großen Leinwänden und Bildschirmen sichtbar. Ökonomie und Kino sind komplexe, heterogene und eng miteinander verflochtene Gebilde, beide handeln mit fiktiven Werten, so dass die Frage nicht lauten kann, wie ökonomisches Finanzwissen visualisiert wird, sondern wie ökonomische Fiktionen beide Institutionen durchdringen.
In den Beiträgen von Spekulantenwahn wird die Börse als eine Bühne betrachtet, auf der die Umbrüche der Finanzwelt auch als filmische Inszenierungen gelesen werden: Finanzkrisen, Paniken, Manien, Depressionen, das sind nur einige der Begriffe, die – direkt aus der Psychiatrie übernommen – die Entwicklungen der Märkte beschreiben sollen. Da werden neue Existenzen geschaffen, andere stürzen ins Bodenlose ab; es verschwimmen die Grenzen zwischen Wirtschaft und Kultur, zwischen ökonomischer Rationalität und medialer Imagination.
Wo erlebt man heute noch die griechische Tragödie? Im Kino und an der Börse. Warum hat das Kino die große emotionale Oper des 19. Jahrhunderts abgelöst? Weil der Film das besser geeignete Medium bietet, um das ‘Drama der Börse’ zu zeigen, wie historische und aktuelle Finanzkrisen verarbeitet und welche Antworten auf dieses ‘Wahnsystem’ in Szene gesetzt werden. Im Kino und an der Börse finden die phantasmatische Dimension des Ökonomischen und die libidinösen Energien der narrativen Bildräume zueinander.
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Christina von Braun ist Kulturtheoretikerin, Autorin und Filmemacherin. Sie ist Professorin für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und war Initiatorin des Studiengangs Gender Studies, des Graduiertenkollegs ‘Geschlecht als Wissenskategorie’, des Walter-Benjamin-Gastlehrstuhls für deutsch-jüdische Kultur und Geschichte, der Leo Baeck Summer University for Jewish Studies und des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Von Brauns Filmographie zählt circa fünfzig Filmdokumentationen und Fernsehspiele zu kulturhistorischen Themen. Von ihr sind bisher zahlreiche Publikationen und Filmdokumentationen zum Verhältnis von Geistes- und Körpergeschichte, Gender, Theorie und Geschichte der Medien, Religion und Moderne sowie zur Geschichte des Antisemitismus erschienen.
Dorothea Dornhof lehrt Wissenschafts-, Medien- und Geschlechtergeschichte am Kulturwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet in der DFG-Forschergruppe ‘Kulturen des Wahnsinns’ zu Spekulantenwahn und okkulten Phänomenen. Sie war bisher als Gastprofessorin an der University of Chicago, Monash University Melbourne und der Technischen Universität Berlin tätig. Sie veröffentlicht zur Kultur- und Literaturgeschichte der Bundesrepublik und der DDR, zur Geschichte und Theorie des Dämonischen, zur Wissenschafts- und Geschlechterforschung sowie zu Medien und Okkultismus.