Unter den Bedingungen des Planeten Erde wird zu allen Zeiten und an allen Orten gestorben. Dennoch hängt die Frage, was es heißt zu sterben, in hohem Maße davon ab, an welchem Ort und zu welcher Zeit dies geschieht. Das invariante physiologische Faktum ist offen für fast unendlich viele Varianten von Deutungen, Verhaltens- und Handlungsweisen. Die Frage nach dem Tod ist eine Grundfrage, insofern als sie zugleich die Frage nach dem Leben enthält. In den Antworten spiegelt sich jeweils ein Konzept, ein Begriff, eine Vision der conditio humana wider. Die Artikel zum Schwerpunkt ‘Tod’ im vorliegenden Heft sollen zu einer Theorie des Todesverständnisses und seiner gesellschaftlichen Auswirkungen beitragen.
Der tschechische Philosoph Jan Patocka gilt heute als einer der interessantesten Vertreter der zweiten Generation von Phänomenologen nach Husserl und Heidegger, bei denen er in den 30er Jahren in Freiburg studierte. Er verband sein phänomenologisches Denken in innovativer Weise mit Fragen von Politik und Geschichte, Kunst und Literatur. Patocka war Mitbegründer und erster Sprecher der Bürgerrechtsbewegung Charta 77 . Am 13. März 1977 starb er nach einer Reihe von Polizeiverhören. Die Bedeutung seines Werks für das politisch-historische Selbstverständnis Europas wird erst heute sichtbar. Im Jahre 2007 feiern wir nicht nur Patockas hundertsten Geburtstag, auch sein Todestag und die Veröffentlichung der Charta 77 jähren sich zum dreißigsten Mal. Anlässlich dessen präsentiert das Heft eine Hommage an den tschechischen Denker und Bürgerrechtler.
Der dritte Schwerpunkt des Heftes ist dem Phänomen des Populismus gewidmet, der heute ein gesamteuropäisches Phänomen darstellt, sich jedoch, anders als in den dreißiger Jahren, nicht als Alternative zur Demokratie sieht und im Rahmen der Europäischen Union agiert. Der Aufstieg des illiberalen Populismus ist der eigentliche Test für die vieldiskutierte ‘Aufnahmekapazität’ der EU.
สารบัญ
Cornelia Klinger
Die Bedeutung des Todes in der heutigen Gesellschaft
Zur Einführung
Alois Hahn und Matthias Hoffmann
Der Tod und das Sterben als soziales Ereignis
Hans-Ludwig Schreiber
Tod und Recht
Hirntod und Verfügungsrecht über das Leben
Hanfried Helmchen und Hans Lauter
Krankheitsbedingtes Leiden, Sterben und Tod aus ärztlicher Sicht
Ulrike Brunotte
Martyrium, Vaterland und der Kult der toten Krieger
Männlichkeit und Soteriologie im Krieg
Oliver Krüger
Die Vervollkommnung des Menschen
Tod und Unsterblichkeit im Posthumanismus und Transhumanismus
Vera Koubova
‘Ich bleibe. Ihr geht.’ Photographien
Jan Patocka
Was die Charta 77 ist und was sie nicht ist
Vaclav Havel
Was bleibt von der Charta 77?
Jan Sokol
Jan Patocka und die Charta 77
Jacques Rupnik
Das Erbe der Charta 77 und die Entstehung
einer europäischen Öffentlichkeit
Nathanaël Dupré la Tour
‘Rückkehr nach Europa’
Rudolf Stamm
Sanfter Widerstand in Prag
Zwei Dissidenten-Porträts
Jacques Rupnik
Populismus in Ostmitteleuropa
Jacek Kochanowicz
Rechtsruck
Politische Landschaft Polens am Anfang des 21. Jahrhunderts
Ivan Krastev
Die Stunde des Populismus
Jan Werner Müller
Europäische Erinnerungspolitik Revisited
Krzysztof Michalski
Nihilismus: Ein Ort für Gott
Zu den Autorinnen und Autoren