Lehrkräfte stehen im Schulalltag vor vielfältigen Aufgaben. Die Funktionen des Bildungssystems – u. a. Enkulturation, Qualifikation, Allokation und Integration – produzieren mitunter widersprüchliche Anforderungen, denen sich Lehrkräfte in ihrem Unterrichtsalltag stellen müssen, die gleichfalls jedoch Handlungsprobleme erzeugen können. Eines dieser Spannungsverhältnisse befindet sich zwischen der Bewertungsaufgabe und dem Auftrag zur Mündigkeitserziehung. Die Bewertung von Schüler*innenleistungen ist eine zentrale Aufgabe der Lehrkräfte und dient nicht nur den vielfältigen formativen Zielen wie der Diagnostik, dem lernwirksamen Feedback, der Planung zukünftigen Unterrichts und der individuellen Förderung. Lehrkräfte müssen durch summative Bewertungen auch die gesellschaftliche Selektion und Berechtigungsvergabe sicherstellen. Diese Studie folgt der Annahme, dass die summativen Bewertungen mit dem Auftrag zur Erziehung zur Mündigkeit in einem Widerspruchsverhältnis stehen. Lehrkräfte sollen einerseits Schüler*innen zur Mündigkeit erziehen, also zum Widerspruch und zur Kritik an bestehenden Verhältnissen animieren und einen gleichberechtigten Diskurs mit den Schüler*innen führen, führen jedoch andererseits mit der selektionsrelevanten und summativen Bewertungsfunktion eine Aufgabe aus, in der sich ihre Schüler*innen in einer asymmetrischen, heteronomen und undemokratischen Rolle wiederfinden.
Das Forschungsanliegen der vorliegenden Arbeit besteht darin, herauszufinden, wie sich Lehrkräfte in dem antinomischen Spannungsverhältnis von Bewertung und Mündigkeitserziehung behaupten. Welche Strategien entwickeln sie, um diesem Spannungsfeld gerecht zu werden? Lassen sich bestimmte Muster in ihrem Handeln erkennen? Und wie lassen sich diese theoretisch bewerten?
Dafür bietet diese Arbeit im theoretischen Teil zunächst einen umfassenden Überblick über die Praxis der Leistungsbewertung und die Mündigkeitserziehung. Im Zentrum der empirischen Forschung steht eine Interviewstudie mit acht Lehrkräften, die zu ihren Umgängen mit dem Spannungsfeld befragt wurden. Von Kapitulation, Resignation, über partizipative Notengebung und Systemkritik offenbaren sich differenzierte Umgänge mit dem Spannungsfeld, die jeweils in den Zusammenhang aktueller wissenschaftlicher Kontroversen eingeordnet und diskutiert werden.
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Paul Jacobsen ist seit Mai 2024 Referendar an einer Gesamtschule im Münsterland. Zuvor studierte er Englisch und Sozialwissenschaften im Master of Education für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen an der Universität Münster. Für seine Masterarbeit hat er zum Spannungsfeld von Mündigkeit und Bewertung qualitative Lehrkräfteinterviews an nordrhein-westfälischen Schulen geführt, um Strategien und Hintergrundüberzeugungen von Lehrkräften herauszuarbeiten, mit denen sie sich in dem Spannungsfeld behaupten. Auch in seiner Bachelorarbeit forschte Paul Jacobsen bereits zu Teilhabe und untersuchte den Einfluss der Coronapandemie auf digitale Jugendpartizipation.