Nachdem er am 8. Juni 1947 bereits im Schauspielhaus Zürich aus dem ›Doktor Faustus‹ gelesen hatte, wandte sich Thomas Mann zwei Tage später noch einmal namentlich an die Studenten der Stadt. Die Kernbotschaft der Ansprache benannte Max Frisch anschließend als »Aufruf zu einem neuen Humanismus«, der bei den Zuhörern aber nur verhaltene Reaktion hervorgerufen habe. In seinem ›Kleinen Nachwort‹ zu der Veranstaltung kritisierte Frisch das noch immer existierende »bürgerliche Klassenbewusstsein«, das die Studenten daran hindere, »wacher und lebendiger zu denken«. Mann bezieht sich mit seinem Aufruf nach einer »Wandlung des geistigen Klimas« inhaltlich auf die Idee eines religiösen Humanismus, die er seit 1919 mit sich trug und unter anderem in der Einleitung zu dem Erzählungsband ›Dostojewskij – mit Maßen‹ (1945) aufgegriffen hatte. Die Ansprache wurde, um zwei Absätze gekürzt, in der Juniausgabe des Zürcher Studenten abgedruckt, wo auch das Nachwort Max Frischs erschien.
About the author
Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.