Im Jahr 1910 sah sich in München der Verleger und Eigentümer einer Buchhandlung Karl Schüler genötigt, auf den Angriff einiger konservativ-kirchlicher Berufsgenossen mit einer Verleumdungsklage zu antworten. Der Vorwurf an ihn: Er habe in seinem Weihnachtskatalog pornographische Literatur angeboten. So war, neben anderen klassischen Werken der Weltliteratur, zum Beispiel Boccaccios ›Dekameron‹ den Sittenwächtern ein Dorn im Auge. Zur Unterstützung Schülers verfasste eine Reihe namhafter und renommierter Künstler, Kunsthistoriker und Schriftsteller entsprechende Stellungnahmen, unter ihnen Thomas Mann. Wie aus zahlreichen seiner Schriften hervorgeht (›Bilse und ich‹ ist eines der bedeutendsten Beispiele), vertrat Mann – auch in seiner Tätigkeit als Mitglied des Münchner Zensurbeirats – stets eine eindeutige Position zugunsten der Kunstfreiheit mit all ihren Konsequenzen und stand einer allzu strengen Zensur folglich entschieden entgegen. Die Schützenhilfe konnte zwar nicht verhindern, dass die Klage Karl Schülers in letzter Instanz abgewiesen wurde, Thomas Manns ›Gutachten‹ wurde hingegen auch nach der Erstveröffentlichung im Mai 1911 an unterschiedlicher Stelle wieder abgedruckt.
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Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.