»Wer nicht hören will, muss fühlen« – so lautet das Motto schwarzer
Pädagogik. Was als zynische Handlungsanweisung gedacht
war, kann aber auch anders verstanden werden. Denn erst das Fühlen und
Greifen mit den Händen eröffnet Menschen den eigenen Zugang zur Welt.
Bereits in den ersten Lebensmonaten dient die Hand dazu, die unmittelbare
Umgebung zu erkunden. Sie bewegt sich auf das Wahrgenommene zu, um
es zu spüren, festzuhalten oder zu formen. Die sensomotorische Eroberung
setzt den individuellen Erkenntnisprozess in Gang.
Wie erfährt die Hand die Berührung mit dem Anderen, mit den Eisblumen
am Fenster, den Murmeln aus Ton, den Flügeln eines Schmetterlings, der
papiernen Haut der Schlange oder einem brummenden Maikäfer? Wie sucht
sie Halt beim Klettern, was schmeichelt ihr, wovor schreckt sie zurück?
Tilman Allert zeichnet in seinen einfühlsamen Miniaturen frühe Eindrücke
des tastenden Ausgreifens in die Welt nach.
About the author
Tilman Allert, geboren 1947, studierte Soziologie in Freiburg, Tübingen und Frankfurt am Main. Seit 2000 ist er Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der J. W. Goethe-Universität Frankfurt. Als Gastdozent lehrt er in Berlin, Tiflis und Eriwan. Er schreibt regelmäßig für verschiedene Tageszeitungen (u.a. für die »Frankfurter Allgemeine«, »Neue Zürcher«, »Die Welt«). Zu seinen bekanntesten Buchveröffentlichungen zählen »Der deutsche Gruß. Geschichte einer unheilvollen Geste« (2005) und »Latte Macchiato. Soziologie der kleinen Dinge« (2015).