Wir interpretieren nicht nur Texte und haben dafür eine besondere „hermeneutische Kunst“ (Schleiermacher) entwickelt, sondern wir interpretieren auch die Welt um uns. Die Untersuchung geht der Frage nach, welche expliziten und impliziten Regeln in der Praxis der Interpretation angewandt werden. Der erste Teil klärt u.a. den Begriff der Interpretation, das Verhältnis von Lesen und Interpretieren und analysiert die traditionelle Metaphorik der Interpretation. Im zweiten Teil werden Paradigmen der Interpretation untersucht: die mantische Deutung von Orakeln und Träumen, die philologische Interpretation literarischer Texte, die alltägliche Deutung einer Physiognomie und die kriminalistische Deutung von Spuren. Im Horizont von Rhetorik, Philologie und Hermeneutik werden in den folgenden Kapiteln antike, mittelalterliche und neuzeitliche, jüdische und christliche Interpretationslehren und danach die neuzeitliche Entwicklung der Hermeneutik als Wissenschaftbehandelt. Das Abschlusskapitel fasst Regeln der Interpretation von Texten zusammen.
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Gliederung
I. Einleitung
II. Interpretation
II.1. Begriff der Interpretation, äquivalente und verwandte Begriffe
II.2. Interpretationsgemeinschaften
II.3. Gattungen der Interpretation
III. Metaphorik der Interpretation
IV. Lesen und Interpretieren
IV.1 Wer liest, interpretiert
IV.2 Explizites, implizites Wissen, Inferenzen, Rahmen
V. Paradigmen
V.1 Die athenische Polis interpretiert ein Orakel aus Delphi
V.1.1 Die hölzerne Mauer
V.1.2 Mantische Deutungskunst
V.2 Josef interpretiert den Traum Pharaos
V.2.1 Artemidors Traumkunst
V.2.2 Freuds Traumdeutung
V.3 Sokrates und Protagoras interpretieren ein Gedicht
V.3.1 Die Intention des Autors
V.4 Die Grotte der Nymphen: Porphyrios interpretiert eine Passage aus der Odyssee
V.4.1 Antike Allegorese
V.5 Lavater interpretiert Porträts von Goethes Physiognomie
V.5.1 Lavaters physiognomisches Programm: Wissenschaft und Kunst
V.5.2 Goethe: Porträts eines Genies
V.5.3 Tradition und Folgen des physiognomischen Programms
V.6 Sherlock Holmes interpretiert Spuren
V.6.1 Spuren, Indizien, Symptome
VI. Rhetorik und Hermeneutik
VI.1 Rhetorik und Philologie
VI.2 Antike und mittelalterliche Interpretationslehren
VI.2.1 Homer aus Homer interpretieren
VI. 2.1.1 Kontext, Parallelstellen
VI.2.2Accessus ad auctores: Zugang zu den Autoren
VI.2.3 Auslegung eines Gesetzes
VII. Auslegung der Thora und der Bibel
VII.1 Rabbinische Auslegung der Thora
VII.1.1 Die herrschende Meinung
VII.2 . Frühe christliche Auslegung der Bibel
VII.2.1 Augustin: Regeln für den Umgang mit der Hl. Schrift
VII.2.2 Jüdische und christliche Allegorese
VII.3 Reformatorische Auslegung der Bibel
VII.3.1 Luther: Die Bibel aus der Bibel interpretieren
VIII. Hermeneutik als Wissenschaft und Kunst
VIII.1 Die Entstehung der Hermeneutik in der Neuzeit
VIII.1.1 Authentische und hypothetische Gewissheit in der Interpretation
VIII.1.2 Stellenhermeneutik
VIII.1.3 Pluralismus der Perspektiven
VIII.1.4 Sich in einen Autor, sich in eine Zeit versetzen
VIII.2 Die Seele aller hermeneutischen Regeln: Billigkeit
VIII.3 . Romantische Hermeneutik
VIII.3.1 Der Eindruck des Ganzen
VIII.3.2 Interpretation als Rekonstruktion
VIII.3.2.1 Der Autor als Mischfigur
VIII.3.3 Savigny
VIII.3.4 Schleiermacher
VIII.3.5 Hermeneutischer Zirkel
VIII.3.6 Den Autor besser verstehen als er sich selbst verstanden hat
IX. Philosophische Hermeneutik
X. Interpretation literarischer Texte: Maximen, Regeln, Methoden
X.1 Maximen
X.2 Entdeckungsprozedur – Rechtfertigungsprozedur
X.3 Regeln, Methoden
X.4 Einige Ratschläge
XI. Literaturverzeichnis
Yazar hakkında
Gerhard Kurz lehrte Neuere deutsche Literaturgeschichte und Allgemeine Literaturwissenschaft an den Universitäten Amsterdam und Gießen.