Die Buchreihe Theatrum Scientiarum versammelt originäre Beiträge am Schnittpunkt von Philosophie, Wissenschaftsgeschichte, Kultur- und Theaterwissenschaft. Als produktiv hat sich dabei die konzeptionelle Orientierung erwiesen, ästhetische, technische und politische Experimente der Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts als programmatischen Gegenpol historischer Langzeitprozesse zu begreifen, als Akkumulator radikaler Fragestellungen, die sich mit heuristischem Gewinn auf Kulturen des Wissens in der Frühen Neuzeit beziehen lassen.
Der nunmehr fünfte Band „Spuren der Avantgarde: Theatrum anatomicum“ fokussiert das anatomische Theater in seinem Modellcharakter als prägend für die Produktion von Wissen, aber auch für die Praktiken in Künsten, im Rechtswesen, in Politik und Kultur. Strategien der Fragmentierung und des systematischen Schnitts markieren auf prägnante Weise das Erscheinungsbild künstlerischer, wissenschaftlicher und politischer Projekte der Avantgarde. Deutbar als Resonanz eskalierender physischer und symbolischer Gewalt des zwanzigsten Jahrhunderts, zeigen sich bei genauerer Betrachtung überraschende Symptome jener Matrix der kreativen Zerstörung, die sich der Ordnung experimentellen Wissens seit Beginn der Frühen Neuzeit eingeschrieben hat.
İçerik tablosu
Helmar Schramm
Einleitung: „Cutting machines“. Zur Anatomie von Melancholie und Avantgarde
Anna Bergmann
Der zerlegte Körper im Spannungsfeld von Säkularisierung und Magie. Animistische Vorstellungswelten in der Kulturgeschichte der Transplantationsmedizin
Peter Bexte
Mit den Augen hören/mit den Ohren sehen. Raoul Hausmanns optophonetische Schnittmengen
Hartmut Böhme
Der Körper als Bühne. Zur Protogeschichte der Anatomie
Miran Bozovic
Anatomie, Sektion und Philosophie: Diderot und Bentham
Andrea Carlino
Leichenzergliederung als soziales Drama im Europa der Frühen Neuzeit
Simone de Angelis
Demonstratio ocularis und evidentia. Darstellungsformen von neuem Wissen in anatomischen Texten der Frühen Neuzeit
Hanno Ehrlicher
Anatomischer Blick und allegorische Schrift. Baltasar Graciáns moralische Anatomie auf der Spur Walter Benjamins gelesen
Erika Fischer-Lichte
Ein Museum für Avantgardekunst als Theatrum anatomicum. Marina Abramovic’ Seven Easy Pieces im New Yorker Guggenheim
Zakiya Hanafi
Anatomische Hybride als Figuren des Surrealen. Der Fall des „weiblichen Monstrums“ bei Bronzino
Cynthia Klestinec
Theater der Anatomie. Visuelle, taktile und konzeptuelle Lernmethoden
Rafael Mandressi
Zergliederungstechniken und Darstellungsweisen. Instrumente, Verfahren und Denkformen im Theatrum Anatomicum der Frühen Neuzeit
Nicolas Pethes
Visualisierung der Seele. Zur Wiederkehr des anatomischen Theaters im psychologischen Menschenversuch am Beispiel von Stanley Kubricks A Clockwork Orange
Hole Rößler
Der anatomische Blick und das Licht im „theatrum“. Über Empirie und Schaulust
Philipp Sarasin
„Zäsuren biologischen Typs“. Der Kampf ums Überleben bei Wilhelm Bölsche, H.G. Wells und Steven Spielberg
Thomas Schnalke
Bühne, Sammlung und Museum. Zur Funktion des Berliner anatomischen Theaters im 18. Jahrhundert
Ludger Schwarte
Staatsräson und Hirnanatomie. Spuren der politischen Avantgarde in der widerständigen Körpermasse der Frühen Neuzeit
Philippe Sers
Das Problem der Komposition in der künstlerischen Modern
Michael Stolberg
Eine anatomische Inszenierung. Felix Platter (1536-1614) und das Skelett der Frau
Nicola Suthor
Demontierte Anatomien. Pablo Picassos Une Anatomie (1933) und Giovanni Battista Braccellis Bizzarie di Varie Figure (1624)
Bette Talvacchia
Körperfragmente. Ein gebrochener Blick auf die Kunst der Renaissance und darüber hinaus
Claus Volkenandt
Malen als Operation. Chirurgisches und mathematisches Kalkül bei Theo van Doesburg
Allen S. Weiss
Über Transzendenz in der Musik. Eine kurze Geschichte des Glissando
Anna Wieczorkiewicz
Wachsmodelle. Modelle des Wissens, Modelle der Erfahrung
Georg Witte
Montage als Mortifikation. Zur Figur des Präparierens in der russischen Avantgarde
Yazar hakkında
Helmar Schramm und Jan Lazardzig, Freie Universität Berlin; Ludger Schwarte, Kunstakademie Düsseldorf.