Was verbirgt sich hinter dem Titel „Menschenrechte digital’? Als wir uns entschieden haben, das Thema als Schwerpunkt auszuwählen, ist uns schnell klargeworden, dass die Digitalisierung der Lebenswelt sich im Positiven wie im Negativen auf die Menschenrechte auswirkt. Es gibt viele Fragen und ein erster Befund fällt ambivalent aus:
Digitalisierung bietet bspw. über Blogs, Twitter oder Facebook für unterdrückte Gesellschaften, Individuen oder Gruppen Möglichkeiten, sich zu informieren, sich über ihre (Menschen-)Rechte zu bilden, eine Meinung zu formulieren und sich auszudrücken. Das Internet schafft eine Stimme. Und nicht nur das: Über das Internet können sich Gleichgesinnte finden, versammeln und aktiv handeln, wie es der „Arabische Frühling’ gezeigt hat. Das Internet kann das Durchsetzen von Menschenrechten also unterstützen. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Zugang zum freien Internet. Ist der Zugang zum Internet ein Menschenrecht? Diese Frage diskutiert Ben Wagner in seinem Beitrag.
Gleichzeitig bietet das Internet jedoch für repressive Systeme vielfältige Möglichkeiten, Menschenrechte einzuschränken oder sogar zu verletzen, etwa durch Zensur. Doch auch bei demokratischen Staaten ist das Begehr nach Daten längst erwacht. Angestoßen durch das Vorgehen der Geheimdienste in den vergangenen Jahren (NSA-Affäre) haben die Vereinten Nationen eine Resolution zum Datenschutz verabschiedet. Klar ist, dass das Sammeln und Vernetzen von Daten zu einer großen Gefahr werden kann. Neben den Staaten werden auch Konzerne wie Google oder Facebook zu Akteuren, deren Handeln eine Auswirkung auf die Menschenrechte hat. Anja Mihr reflektiert in ihrem Beitrag die Idee eines Cyber-Gesellschaftsvertrages und die Frage, wie man das Verhältnis der Akteure im Internet menschenrechtlich gestalten kann. Für einen Multistakeholder-Ansatz setzt sich auch Matthias C. Kettemann ein. Er plädiert dafür, sich erst einmal die Grundfragen legitimer Ordnung vor Augen zu führen.
Зміст
Menschenrechte digital
Thorsten Thiel:
Anonymität und der digitale Strukturwandel der Öffentlichkeit
Matthias C. Kettemann:
Menschenrechte im Multistakeholder-Zeitalter: Mehr Demokratie für das Internet?
Ben Wagner:
Kommunikation konstituiert Gesellschaft: Warum es Zeit ist, den Zugang zum freien Internet als Menschenrecht anzuerkennen
Anja Mihr:
Cyberdemocracy, was ist das?
Wolfgang Benedek:
Cyberwar
Hintergrund
Frédéric Krumbein:
Chinas Beitrag zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
Anna Lübbe:
Menschenrechtliche Grenzen des Europäischen Asylsystems: Zur Rolle von Eu GH und EGMR
Forum
Das größte Problem ist die territoriale Begrenztheit des Rechts bei gleichzeitig zunehmender weltweiter Vernetzung
Interview mit Peter Schaar
Was kann der/die Menschenrechtsbeauftragte tun?
Interview mit Dr. Bärbel Kofler
Tour d’Horizon
Elisabeth Holzleithner: Feministische Menschenrechtskritik
Buchbesprechungen
Про автора
Dr. Elisabeth Holzleithner
ist Universitätsprofessorin für Rechtsphilosophie und Legal Gender Studies an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Politischen Philosophie mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Theorien der Gerechtigkeit, Legal Gender & Queer Studies, Recht und Literatur, Recht und Populärkultur.
Mag. Dr. Matthias C. Kettemann,
LL.M (Harvard) ist Post-Doc Fellow am Exzellenzcluster „Normative Ordnungen’ der Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo er sich zur normativen Ordnung des Internets habilitiert, und Lektor am Institut für Völkerrecht der Universität Graz.
Dr. Frédéric Krumbein,
Promotion in Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, arbeitet in der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik und lehrt an der Freien Universität und der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.
Dr. Anna Lübbe
ist Professorin für Öffentliches Recht und ADR an der Hochschule Fulda sowie Kodirektorin des Centrums für interkulturelle und europäische Studien (CINTEUS). Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im deutschen, europäischen und internationalen Flüchtlingsrecht.
Dr. Anja Mihr
ist Gründerin und Leiterin des HUMBOLDT-VIADRINA Centers on Governance through Human Rights in Berlin. Sie vertritt zudem den Franz-Haniel Chair of Public Policy an der Willy-Brandt-School of Public Policy der Universität Erfurt.
Thorsten Thiel
ist Koordinator des Leibniz-Forschungsverbundes „Krisen einer globalisierten Welt’, Mitarbeiter am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und assoziiertes Mitglied des Frankfurter Exzellenscluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen’.
Ben Wagner
ist Direktor des Zentrums für Internet und Menschenrechte (CIHR) an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Er erforscht Kommunikationsabbrüche, digitale Menschenrechte und die Rolle des Internets in der Außenpolitik. Er wurde in Politik- und Sozialwissenschaften am European University Institute in Florenz promoviert.