Vor drei Jahrzehnten legten Pierre Bourdieu und sein Team eine aufsehenerregende soziologische Studie zum Thema ‘Das Elend der Welt’ vor. Sie hatte für ein wissenschaftliches Werk von fast 1000 Seiten Umfang einen ganz erstaunlichen Publikumserfolg, wurde aber auch angesichts ihrer mit vielen Regeln des akademischen Betriebs bewusst brechenden Forschungsstrategien, Methoden und literarisch anmutenden Erzählkunst zur Zielscheibe heftiger Kritik. Oft war die Rede von einem Bruch mit den für Bourdieu bis dahin kennzeichnenden ‘Regeln der soziologischen Methode’, und es wurde viel darüber spekuliert, wie diese Form vermeintlich ‘undisziplinierten’ Forschens zu verstehen sei. Dank der Entdeckung bislang unbekannter Quellen im Pariser Pierre Bourdieu-Archiv ist es uns jetzt möglich, einen direkten Einblick in die Forschungswerkstatt Bourdieus zu bekommen und die Entstehung dieser bedeutenden soziologischen Studie Schritt für Schritt zu rekonstruieren. Anhand der persönlichen Aufzeichnungen Bourdieus und der Protokolle der Teamsitzungen wird hierbei die Praxis des Forschens selbst – von Fragen der Interviewtechnik, über Stichprobenziehung und Transkriptionsmethoden bis hin zur Komposition einer komplexen gesellschaftstheoretischen Collage – zum Gegenstand wissenschaftlicher Objektivierung und kritischer Reflexion im Hinblick auf die Möglichkeiten und Grenzen soziologischer Erzählkunst.
Зміст
Auf dem Wege zu einer soziologischen Erzählkunst.- Erkenntnisziele einer Rekonstruktion wissenschaftlicher Erfindung.- Social research in the making – Soziologische Reflexivität in Aktion.- Ankündigung eines unerhörten Vorhabens.- Möglichkeitsbedingungen der vorgelegten Studie.- Wege einer Objektivierung soziologischer Forschung: Aufbau, Form und Vorgehen unserer Rekonstruktion.- „Wie sich soziale Malaisen in Symptome übersetzen lassen?“. – „Soziologische Symptomatologie”.- „Sehen, welches Unbehagen vorherrscht” – Soziologische Diagnostik.- “Was in der gesellschaftlichen Welt nicht stimmt” – Stoffe soziologischer Erzählungen.- „Formen der sozialen Malaise: Geschichten à la Flaubert”.- “Nur Konstruktionen – aber so sichtbar wie möglich.”.- „Konstruiertes Reales”: Prinzipien sozioanalytischen Erzählens.- Sozioanalyse: Suchen nach „generativen Formeln“.- „Soziologie muss präsent sein, ohne sich zu zeigen”.- Zur Rezeption einer inkommensurablen Studie.- Glossar.-Literaturnachweis.-Abbildungsverzeichnis.- Fundstellenverzeichnis.- Anmerkungen zur Interviewmethode.- Anweisungen für das Transkribieren.- Ahmed X im Interview mit Pierre Bourdieu in Littérature Générale, Juni 1991.- Der Soziologe als Geburtshelfer.- Das Elend der Welt, eine zweifache Herausforderung – Pierre Bourdieu im Gespräch mit Franz Schultheis.- Anhang.- Ethnografische Zeugnisse einer Forschungspraxis.
Про автора
Franz Schultheis ist Senior Professor für Soziologie des Kunstfeldes an der Zeppelin Universität Friedrichshafen und forscht zu Themen wie ‘Visuelle Formen soziologischer Erkenntnis’, ‘Gesellschaftliche Exklusion’ oder ‘Kunst und Kapital’. Er arbeitete lange mit Pierre Bourdieu zusammen, ist Präsident der Fondation Bourdieu und Mitherausgeber der Bourdieu Schriften beim Suhrkamp Verlag.