Die Grand Opéra des 19. Jahrhunderts stellt sich als ein Vexierbild dar. Auf den ersten Blick zeigt sie sich als Vergnügungsapparat zur Erzeugung visueller und emotionaler Sensationen. In dieses Bild aber schreiben sich die Züge eines Seismografen ein, der die gesellschaftlichen Erschütterungen im Zeitalter der Revolutionen präzise verzeichnet. Die Schnittlinie beider Ansichten durchquert die Grand Opéra als ‘Kraftwerk der Gefühle’ (A. Kluge). In ihm kehren die verdrängten Erfahrungen und Traumata von Terror, Umbruch und Rebellion als fremde Leidenschaften wieder. Sie bieten die Chance der Wiederaneignung und Transformation der in die Gegenwart ragenden Vergangenheit.
Das Buch untersucht die Szene der Grand Opéra und geht den Spuren ihres Nachlebens in Inszenierungen und Werken des zeitgenössischen Musiktheaters nach. Mit Gastbeiträgen von Merle Fahrholz, Anselm Gerhard und Klaus Zehelein.
Die Arbeit des Forschungsprojekts ‘Das Theater der Wiederholung’ von Günther Heeg wird mit einem zweiten Band zum Reenactment fortgesetzt.
Зміст
Fremde Leidenschaften
Die Grand Opéra als Theater der Wiederholung
von Günther Heeg / Seite 17
Ein bürgerlicher Gesellschaftsentwurf vor mittelalterlicher Folie
Heinrich Marschners Der Templer und die Jüdin
von Merle Tjadina Fahrholz / Seite 84
Tragödie mit den Mitteln der Farce
Stilbrüche und Gattungsmischung in Meyerbeers
Les Huguenots und anderen Opern aus dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts
von Anselm Gerhard / Seite 98
Trauer- und Traumarbeit im Belcanto
Die Stuttgarter Inszenierungen von Vincenzo Bellinis Opern Norma, La Sonnambula und I Puritani
von Günther Heeg / Seite 122
»Das deutscheste von allen Wagner-Stücken« öffnet sich dem Fremden
Barrie Koskys Inszenierung von Richard Wagners
Die Meistersinger von Nürnberg
von Günther Heeg / Seit 139
Die Oper als Herausforderung des epischen Theaters
von Günther Heeg / Seite 151
Kapitalismus/Gefühle
Anachronismus und Utopie in der Dreigroschenoper
von Günther Heer / Seite 168
»Ändere die Welt, sie braucht es.«
Rede auf Peter Konwitschny, den Antichristen der Freunde der toten Oper, zum Antritt der Bertolt Brecht Gastprofessur der Stadt Leipzig
von Günther Heer / Seite 181
Stimmen im Lärm der Zeit
Peter Konwitschnys Theaterarbeit mit B. A. Zimmermanns Oper Die Soldaten
von Günther Heeg / Seite 187
»Mit den Ohren schauen und mit den Augen hören«
Eine Annäherung an Helmut Lachenmanns
»Musik mit Bildern«: Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
von Klaus Zehelein / Seite 201
Про автора
Günther Heeg ist Professor am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig, Vizepräsident der ‘International Brecht Society’ sowie Direktor des Centre of Competence for Theatre an der Universität Leipzig. Er ist Leiter des DFG-Forschungsprojekts ‘Das Theater der Wiederholung’ und deutscher Partner einer Forschungskooperation mit der Keio Universität Tokio über ‘Tradition und Transkulturalität im deutschen und japanischen Gegenwartstheater’ (DAAD/JSPS). Arbeitsschwerpunkte: Verhältnis von Theaterhistorismus und künstlerischer Praxis des Reenactments, kulturelle Flexionen von Zeiten und Räumen, Tradition und Transkulturalität im japanischen und deutschen Gegenwartstheater, Strukturveränderungen im osteuropäischen Theater, Theater als (Inter)Medium, Körper, Sprache und Bild im Theater des 18. Jahrhunderts, Bertolt Brecht, Heiner Müller, Einar Schleef.