Ende der 1920er Jahre setzt Brecht den Bewahrern des kulturellen Erbes die These vom ‘Materialwert’ der Kunst entgegen. Er verabschiedet die Vorstellung einer überzeitlichen Dauer der Werke und rät, deren einzelne Teile bedenkenlos ‘herauszuhacken’ für ihre Wiederverwendung in der Gegenwart. Sein Vorschlag betont den Zeitkern von Kunst und zielt auf eine weitreichende Praxis der Wiederholung, Aneignung und Transformation historischer Artefakte und künstlerischer Praktiken. Diese bisher kaum reflektierte Theorie und Praxis Brechts wird hier rekonstruiert und auf ihn selbst angewendet. Die Beiträge dieses Bandes, Ergebnis einer internationalen Forschungskooperation, gehen der Frage nach dem Materialwert Brechts in seinen eigenen Arbeiten und in seinem Nachleben in Theater und Film unserer Zeit nach. Sie fokussieren Verfahren Brechts, die für die Gegenwart nicht nur von künstlerischer, sondern auch von politischer Bedeutung sind, darunter Praktiken der Historisierung, der transmedialen ‘Trennung der Elemente’, der opernhaften Intensivierung von ‘Zuständen’ und des szenischen Reenactments klassischer Werke.
Про автора
Günther Heeg ist Professor am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig, Vizepräsident der ‘International Brecht Society’ sowie Direktor des Centre of Competence for Theatre an der Universität Leipzig. Er ist Leiter des DFG-Forschungsprojekts ‘Das Theater der Wiederholung’ und deutscher Partner einer Forschungskooperation mit der Keio Universität Tokio über ‘Tradition und Transkulturalität im deutschen und japanischen Gegenwartstheater’ (DAAD/JSPS). Arbeitsschwerpunkte: Verhältnis von Theaterhistorismus und künstlerischer Praxis des Reenactments, kulturelle Flexionen von Zeiten und Räumen, Tradition und Transkulturalität im japanischen und deutschen Gegenwartstheater, Strukturveränderungen im osteuropäischen Theater, Theater als (Inter)Medium, Körper, Sprache und Bild im Theater des 18. Jahrhunderts, Bertolt Brecht, Heiner Müller, Einar Schleef.
Ausgewählte Publikationen: Das Phantasma der natürlichen Gestalt. Körper, Sprache und Bild im Theater des 18. Jahrhunderts (Stroemfeld 2000); Theatrographie – Heiner Müllers Theater der Schrift (Hrsg. zus. mit Theo Girshausen; Vorwerk 8 2009); Globalizing areas, kulturelle Flexionen und die Herausforderung der Geisteswissenschaften (Hrsg. zus. mit Markus A. Denzel; Steiner 2011); Reenacting History. Theater & Geschichte (Hrsg. zus. mit Micha Braun, Lars Krüger, Helmut Schäfer; Theater der Zeit 2014); Das transkulturelle Theater (Theater der Zeit 2017).