Als Nachfolger des berühmten Philosophen W. Windelband wurde Ernst Troeltsch 1909 zum Vertreter der Heidelberger Universität in die Erste Kammer der Stände-Versammlung des Großherzogtums Baden gewählt. Nun gehörte er definitiv zu den politischen Funktionseliten des liberalsten Teilstaates im deutschen Kaiserreich. Als Abgeordneter musste Troeltsch die harten Realitäten einer Klassengesellschaft zur Kenntnis nehmen, die durch aggressive Kulturkämpfe zwischen Protestanten und Katholiken sowie die Ausgrenzung der Sozialdemokratie bestimmt war. Er musste sich zum Verbot von Bordellen, der Konkurrenz religiöser Privatschulen mit staatlichen Schulen, der Lehrerbesoldung, der Reform der Universitäten und auch zum Streit um Berufungen in Theologischen Fakultäten äußern. Immer wieder plädierte der von seinen Abgeordnetenkollegen ob seiner analytischen Kompetenz und rhetorischen Brillanz bewunderte Gelehrte für pragmatischen Kompromiss.
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Harald Haury, Ludwig-Maximilians-Universität München.