Die Akademien, Sozietäten und sonstigen gelehrten Vereinigungen waren nicht nur die entscheidenden Agenturen der Akkumulation von Wissen in der Frühen Neuzeit, sondern zugleich vielfältigen kulturpolitischen Aufträgen verpflichtet, die nicht selten in unmittelbare politische Aktionen übergingen, in denen die Handlungsspielräume der vielfach nur locker organisierten Gruppierungen effizient zur Geltung gelangten. Am Modernisierungsprozeß der Frühen Neuzeit sind die Akademien in der Verpflichtung ihrer Mitglieder allein auf sachliche Kompetenz und interkonfessionelle moralische Autorität maßgeblich beteiligt. In symbolischen Interaktionsformen werden quasidemokratische Modelle durchgespielt, die ihre direkte programmatische und politische Einlösung in den bürgerlichen Revolutionen zu Ende des 18. Jahrhunderts erfahren. Das Werk vereinigt vorwiegend Beiträge, die anläßlich der Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution auf einem unter der Schirmherrschaft von Jacques Chirac abgehaltenen internationalen Kongreß 1989 in Paris vorgetragen wurden. Sie werden abgerundet durch ergänzende Studien, die dazu beitragen sollen, dem Charakter des Werkes als eines Handbuchs der europäischen Sozietätsbewegung möglichst nahezukommen, ohne Vollständigkeit in der Erfassung der einschlägigen Institutionen anzustreben. Reichhaltige Literaturangaben, eine umfassende Bibliographie und Register erhöhen den Benutzerwert der für alle historisch-kulturwissenschaftlichen Disziplinen gleich wichtigen gelehrten Sozialisationsagentur der Frühen Neuzeit.
Зміст
Inhalt Band 1:
K. Garber , Sozietät und Geistesadel. Von Dante zum Jakobiner-Club. Der frühneuzeitliche Diskurs
de vera nobilitate und seine institutionelle Ausformung in der gelehrten Akademie. –
I. Vergewisserung der Tradition: Antike und Mittelalter:
H. Wismann , Die Revolution des Wissens in Griechenland: Ursprünge der Platonischen Akademie. –
L. Canfora , Die Akademie in Griechenland, mit einem Ausblick auf Alexandrien. –
B. Kytzler , Zum Akademie-Gedanken im Römerreich. –
L. Boehm , Organisationsformen der Gelehrsamkeit im Mittelalter. –
N. Staubach ,
Devotio moderna und Humanismus zwischen Zirkelbildung und gesellschaftlicher Integration. –
II. Ursprung der Akademiebewegung in Italien:
S. Neumeister , Von der arkadischen zur humanistischen
res publica litteraria. Akademie-Visionen des Trecento. –
M. Lentzen , Die humanistische Akademiebewegung des Quattrocento und die Accademia Platonica in Florenz. –
H. Heintze , Regionale Aufgliederung früher Renaissance-Akademien: die Pontaniana und die Pomponiana. –
B. Guthmüller , Die Akademiebewegung im Cinquecento. Das Beispiel Vicenza. –
F. Waquet , Moderne Gelehrsamkeit und traditionelle Organisation: Die gelehrten Akademien im Italien der Frühaufklärung. –
III. Das nationale Paradigma: Frankreich:
K. Ley , Von der ‘Brigade’ zur ‘Académie du Palais’. Zur Institutionalisierung humanistischer Bildungsideale in Frankreich unter den letzten Valois. –
H. Heintze , Die Akademie der Thelemiten. –
R. Krüger , Der
honnête homme als Akademiker. Nicolas Farets ‘Projet de l’Académie’ (1634) und seine Voraussetzungen. –
H. Stenzel , ‘Premier champ littéraire’ und absolutistische Literaturpolitik: Die Anfänge der Académie française, der Modernismusstreit und die ‘Querelle du Cid’. –
R. Baader , Akademie und Salon – oder: Der Unsterbliche und die zehnte Muse. Das Widerspiel der Geschlechter und Stände zwischen Renaissance und Absolutismus. –
W. Asholt , Akademische oder gesellschaftliche Gleichheit. Die ‘hommes de lettres’, die Académie française und die ‘Economistes’. –
F.E. Schrader , Akademien und esoterische Soziabilitätsformen der Lumières in den gesellschaftlichen Konflikten des ausgehenden Ancien Regime. –
IV. Iberoromania:
C. Bierbach ,
Todos maestros, todos discípulos. Spanische Akademien vor 1700. –
A. Risco , Gelehrte und ‘praktische’ Akademien in Spanien im 18. Jahrhundert. –
D. Fries , Die Real Academia Española im 18. Jahrhundert. Sprachpflege zum Ruhm der Nation. –
L. Domergue , Die ökonomischen Gesellschaften der Landesfreunde und ihre Rolle im Spanien der Aufklärung. –
D. Briesemeister , Akademien in Portugal. –
K. Hölz , Ästhetische Divergenz und fraternitäre Sozialgemeinschaft in Mexiko. Klassizistisches Denken im romantischen und liberalen Konzept der
literatura nacional. –
K. Hölz , Literarische Institution und nationaler Aufbruch. Mexikanische Literatur zwischen Unabhängigkeitsbewegung und Reformkrieg (1810-1858). –
V. Der insulare Sonderweg: England:
W. Weiß , ‘An Attempt, which all Ages had despair’d of.’ Das Selbstverständnis der Royal Society im 17. Jahrhundert. –
M. Pfister , Bacon und Winstanley: Akademieprojekte im Vorfeld und Verlauf der englischen Revolution. –
A. Mahler , Die Materialität der Transparenz. Sprache, Politik und Literatur in der englischen Aufklärung. –
I. Schabert , Der gesellschaftliche Ort weiblicher Gelehrsamkeit: Akademieprojekte, utopische Visionen und praktizierte Formen gelehrter Frauengemeinschaften in England 1660-1800. –
H. Meller , Schleichwege der Subversion: Die englischen Korrespondenzgesellschaften und die Ideenvermittlung zwischen Commonwealth und Frühromantik. –
VI. Die Akademie in der Republik: Die Niederlande:
F. van Ingen , Der Akademiegedanke in der niederländischen Republik bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. –
M.B. Smits-Veldt , The First Dutch Academy of Dr. Samuel Coster: Humanist Ideals in Dutch Attire (1617-1622). –
C.B.F. Singeling , Sociable Men of Letters. Literary Sociability in the Netherlands in the Second Half of the Eighteenth Century. –
W.W. Mijnhardt , Die Etablierung eines gebildeten Publikums und sein Bündnis mit den kulturellen und politischen Bewegungen in den Niederlanden zur Zeit der Französischen Revolution. –
VII. Ausblick auf Skandinavien:
W. Friese , Akademien und Selskaber im Skandinavien der Frühen Neuzeit.
Inhalt Band II:
VIII. Die Welt der Slaven und Ungarn:
T. Klaniczay , Die Akademiebewegung in Ungarn im Zeitalter der Renaissance. –
L. Sasonowa , Die Entstehung der Akademien in Rußland. –
S.M. Nekrassow , Die Russische Akademie. –
A. Michailow , Lomonossow als Mitgestalter der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften. –
R. Lauer , Die Petersburger Akademie der wissenschaften und die russische Literatur im 18. Jahrhundert. –
K. Sauerland , Sozietätsbewegung und demokratische-patriotische Bestrebungen in Polen am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. –
F. Svelec , Akademien in Dalmatien. –
I. Bitskey , Das Collegium Germanicum Hungaricum in Rom zwischen Spät-Barock und Aufklärung. –
IX. Die Akademiebewegung im alten deutschen Sprachraum:
H. Entner , Was steckt hinter dem Wort
sodalitas litteraria? Ein Diskussionsbeitrag zu Konrad Celtis und seinen Freundeskreisen. –
H. Dickerhof , Der deutsche Erzhumanist Conrad Celtis und seine Sodalen. –
W. Kühlmann , Sozietät als Tagtraum: Rosenkreuzerbewegung und zweite Reformation. –
E.-H. Lemper , Anfänge akademischer Sozietäten in Görlitz und Bartholomäus Scultetus (1540-1614). –
S. Wollgast , Zu Joachim Jungius ‘Societa ereunetica’. Quellen – Statuten – Mitglieder – Wirkungen. –
G. Hoppe , Traditions- und Spannungsfelder um die Fruchtbringende Gesellschaft im Spiegel ihres Alltags (1617-1629). –
E. Pietrzak , Schlesier in den deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts. –
R. Jürgensen , Johann Michael Dilherr und der Pegnesische Blumenorden. –
U. Seelbach , Die Altorfer Ceres-Gesellschaft (1668-1669). –
C. Grau , Zur Vor- und Frühgeschichte der Berliner Sozietät der Wissenschaften im Umfeld der europäischen Akademiebewegung. –
B. Bauer , Die Anfänge der Berliner ‘Académie Royale des Sciences’ im Urteil der gelehrten Öffentlichkeit. –
D. Bourel , Lazarus Bendavid und die Akademie zu Berlin. –
H.D. Kittsteiner , Universalhistorische und geschichtsphilosophische Fragestellungen an der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Zeitalter der Spätaufklärung. –
B. Becker-Cantarino , Die ‘andere Akademie’: Juden, Frauen und Berliner literarische Gesellschaften 1770-1806. –
E. Erne , Topographie der Schweizer Sozietäten. –
U. im Hof , Die Helvetische Gesellschaft im Kontext der Sozietätsbewegung des 18. Jahrhunderts. –
H. Langer , Gelehrte Sozietäten in Schwedisch-Pommern. Programmatik und Realität. –
K. Kiesant , Die ‘Litteraria’ in Potsdam. Eine unbekannte Gesellschaft der Goethezeit. –
J.-M. Valentin , Die konfessionelle Teilung des Reiches und die Unmöglichkeit einer Akademie im katholischen Deutschland der Frühen Neuzeit. –
A. Kraus , Zur bayerischen Akademiebewegung im 18. Jahrhundert. –
D. Breuer , Aufgeklärte Sozietäten im katholischen Deutschland des 18. Jahrhunderts. –
K. Manger , Wielands Kosmopoliten. –
H.J. Schneider , Institution und Intimität. Zur Vergeistigung des Sozietätsgedankens in Lessings Freimaurer-Gesprächen. –
X. Ausblick auf die Bildenden Künste:
T. Schabert , Räume der Gelehrsamkeit. Die Architektur der Akademie. –
I. Bignamini , The English Academy of Art during the Sixteenth- and Seventeenth Centuries. From Renaissance to the Revolutions. –
J. Lichtenstein , Die königliche Akademie für Malerei und Bildhauerei: Erwünschte Institution oder auferlegter Befehl? –
J. Held , Die Pariser ‘Académie Royale de Peinture et de Sculpture’ von ihrer Gründung bis zum Tode Colberts. –
M. Espagne , Die Dresdner Kunstakademie in Pariser Sicht. –
Epilog:
K. Garber , Akademien – Sozietäten – Sprachgesellschaften. Ein enzyklopädisches Stichwort und Versuch einer Bibliographie.