Mona will der kalten Anonymität, dem aggressiven Gegeneinander und dem permanenten Stress in der Stadt entfliehen. Sie zieht in ein Dorf an der Landesgrenze, wo sie sich Ruhe und ein solidarisches Miteinander erhofft.
Fortan pendelt sie zwischen beiden Lebenswelten und stellt fest, dass diese sich im Innersten ähneln. Das Dorf entpuppt sich als ebensolche Hölle wie die Stadt – nur mit einer anderen Dynamik: Mikrokosmos einer Gesellschaft, deren Klima durch Unsicherheit und Ängste dominiert ist, die einen radikalen Egozentrismus und rechte Tendenzen hervorrufen.
Der vermeintlich erstarkte Gemeinschaftssinn äußert sich in manipulativer Sozialkontrolle: Fremdes wird kritisch beäugt, kommentiert und im Zweifel – ausgeschlossen. Als Mona sich für die im Dorf untergebrachten Flüchtlinge einsetzt, erfährt sie Missgunst und Ausgrenzung am eigenen Leib.
Durch Gerüchte genährt und Hetze geschürt, kippt die Stimmung
im Dorf in Übergriffigkeit. Zum Martiniloben, dem Fest des Jahres, dem großen ländlichen Sauf- und Fressgelage, eskaliert die Situation.
»Hass ist ein verstohlen schleichendes Gift, das in der Angst wirkt.«
Ländliche Idylle – mehr Schein als Sein: Mona, ehrgeizige Doktorin der Philosophie, die an der Uni um ihre Professorenstelle kämpft und in ihrem Dorf um die politische Moral, muss lernen, dass ihr Engagement hüben wie drüben Ablehnung hervorruft.
Als wäre das nicht genug, folgt ihr die eigene Vergangenheit wie ein Schatten und greift in ihr gegenwärtiges Leben ein. Sie fühlt sich zunehmend fremdbestimmt und isoliert am Rande der Gemeinschaft.
Private wie berufliche Sorgen und Streitigkeiten bringen Mona in Bedrängnis – nach und nach bekommt sie es mit der Angst zu tun.
Derweil verdichtet sich im städtischen Raum die Problematik: Die Fronten zwischen Arm und Reich verhärten sich, Gewaltexzesse und Unruhen sind an der Tagesordnung, die Gesellschaft kollabiert, die Politik ist hilflos. Wer kann, flieht aufs Land und bunkert sich ein.
Про автора
Marlen Schachinger wurde 1970 geboren und lebt in Niederösterreich. Sie veröffentlichte mehrere Romane sowie Prosa, Lyrik und Essays in nationalen und internationalen Literaturzeitschriften und ist Herausgeberin mehrerer Anthologien, zuletzt des Erzählbands übergrenzen (Septime 2015). Sie hält die künstlerische Leitung des Instituts für Narrative Kunst Niederösterreich und ist Dozentin ebenda sowie an der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien.
Marlen Schachinger fand bereits mit ihrem Debüt im Jahr 2000 Beachtung bei Literaturkritik wie Kolleg/innen. Seither machte sie sich einen Namen dadurch, dass jedes Werk in einer gänzlich anderen Textur gewoben ist als vorhergehende oder nachfolgende. Dennoch besteht eine Gemeinsamkeit: Schachingers Erzähluniversen sind organische Körper, gekennzeichnet durch ihre Sprachkunst. Manchmal weist ihr erzählendes Darstellen den Charakter einer harten Kaskade auf, kein Wort zu viel; manchmal gleicht es eher dem poetischen Gewucher einer Passiflora oder dem Spiel eines Kaleidoskops. Augen-Blicke und Begebenheiten – mit feinen oder groben Strichen – zu zeichnen ist ihr relevant, das Erzählte wertend zu kommentieren interessiert sie hingegen nicht: Möge sich jede und jeder selbst ein Bild und Gedanken machen. Daher braucht die Lektüre ihrer Werke Zeit und Aufmerksamkeit. Keinesfalls sind es Konsumationsromane, die man in wenigen Happen verschlingt, verdaut und ausscheidet. Sie selbst sagt: »Literatur ist nährendes Lebens-Mittel, eine Notwendigkeit, um zu sein und der Welt in Reflexion zu begegnen.«
Die Genauigkeit ihrer Sprache ist es, die ein aufmerksames Hinhören und -sehen erzwingt, weil sie eine Präsenz entwickelt, der man sich nicht zu entziehen vermag. Diese dichte Bildflut prägt ihre Prosa, welche im Zusammenspiel mit ihrer Kunst der Komposition von einer Vorliebe für rhythmische Strukturen, Zahlen und Formen erzählt. Wenig erstaunlich sind daher auch die vielen Auszeichnungen und Preise, die sie für ihr bisheriges Schaffen bereits erhielt.