Wie gehen Menschen mit einschneidenden Veränderungen um? Wie werden z. B. Tod und Trauer, Exil und der Verlust der Heimat, aber auch Hyperinflationen, Revolutionen oder sozioökonomische Entwicklungssprünge sowohl individuell als auch gesellschaftspolitisch wahrgenommen und bewältigt?
Peter Waldmann geht davon aus, dass Situationen radikalen Wandels, die überkommene Strukturen prinzipiell infrage stellen, häufig Verlustängste auslösen und ein Festhalten an Altem und Vertrautem zur Folge haben – viele Menschen geben sich, in solche Ereignisse involviert, dem ‘konservativen Impuls’ hin, sie sehen sich als künftige Modernisierungsverlierer. In anderen Bevölkerungskreisen stoßen die Veränderungen jedoch auf Beifall und wecken Hoffnungen auf eine verheißungsvolle Zukunft. Die Gesellschaft spaltet sich in gegensätzliche Lager.
Die Untersuchung des bekannten Soziologen bezieht sich auf die jüngste Neuzeit und handelt von Fällen individuellen und rapiden sozioökonomischen Wandels sowie politischer Umbrüche an der europäischen Peripherie als auch in Lateinamerika, im Mittleren Osten und in Ostasien. An neun idealtypischen Beispielen vermisst er die Stärke des konservativen Impulses. Denn je nach Zeitpunkt, Kontext und Kräfteverhältnis können Äußerungen und Triebkräfte des konservativen Impulses nicht nur die Entwicklungsdynamik bremsen, sondern dieser auch förderlich sein oder sogar zu einer ihrer wesentlichen Voraussetzungen werden.
Disruptiver Wandel löst folglich regelmäßig gegensätzliche Reaktionen aus: einerseits das verzweifelte, letztlich vergebliche Festhalten an der Vergangenheit, andererseits, angesichts der Notwendigkeit, sich auf die neue Situation einzustellen, das Bemühen, dieser gerecht zu werden. Das Abarbeiten der Spannung zwischen diesen beiden Polen ist eine Voraussetzung dafür, dass die Betroffenen in ihrer Entwicklung nicht stehen bleiben. Der konservative Impuls ist, so Waldmanns Fazit, eine hochambivalente Größe.
Зміст
Einleitung
I Individuelle Verlusterfahrungen
Tod und Trauer
Exil und Diaspora
Die Infragestellung der Geldwertillusion: Hyperinflation
Zwischenbilanz 1
II Verlust politischer Stabilität: Revolution und Reaktion
Die Französische Revolution von 1789 und ihre Folgen
Spaniens gewundener Weg zur Demokratie
Eine konservative Revolution: Iran 1979
Zwischenbilanz 2
III Alles gerät in Bewegung: Prozesse nachholender Entwicklung
Südkoreas Sprung zur industriellen Exportnation
Auf der Schwelle stehengeblieben: Argentinien
Widerwillig, gleichwohl erfolgreich: Modernisierung im Baskenland
Zwischenbilanz 3
IV Verluste und Gegenreatkionen: der konservative Impuls im Kontext
V Theoretische Verortung
Literatur
Abbildungen
Dank
Про автора
Peter Waldmann ist emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Augsburg. Von 1997 bis 2005 war er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Er war als Gastprofessor in Buenos Aires und Cordoba (Argentinien), Santiago de Chile, Madrid, San Sebastian und Sevilla, in Bern und Harvard tätig.