Der junge, fortschrittliche Kaplan Berger erfährt im Beichtstuhl von einem geplanten Mord und kann den gerade aus der Haft Entlassenen nicht von seinem Vorsatz abbringen. Was soll er tun? Er kann doch das Beichtgeheimnis nicht brechen. Da er Zeitpunkt und Ort kennt, begibt er sich an den künftigen Tatort. Aber es ist schon zu spät. Bei der Vernehmung durch die Kriminalpolizei schweigt er natürlich. Wie kann er nur den Täter seiner gerechten Strafe zuführen, ohne das Beichtgeheimnis zu verletzen?
LESEPROBE:
„Voreilige Schlüsse“, sagte Merks, „dachte ich, hätten Sie längst überwunden. Sonst hätte ich Ihre Beförderung nicht bewilligt.“ Merks benutzte nun selbst das „Sie“. Und Zenker ließ sich daraufhin auf dem Sessel nieder, in dem bis vor kurzem Kaplan Berger gesessen hatte. Friedlich wie ein Soldat vor dem Posten, der seine Ausgangskarte kontrolliert.
„Fünf Minuten vor zwölf“, las der Hauptmann vor, traf ich in der Gaststätte ‚Goldener Krug‘ ein. An der Theke kaufte ich Zigaretten, obwohl ich Nichtraucher bin. Als Erklärung dafür gebe ich an, dass ich für Besucher manchmal Rauchware dahaben muss. Danach unternahm ich einen kurzen Waldspaziergang, aber entfernte mich nicht weit von der Gaststätte. Nach Gaststättenschluss, den ich durch das Lärmen der hinausgehenden Leute bemerkte, befand ich mich hinter dem Objekt. Es war fast völlig dunkel, weil man in der Schankstube das Licht gelöscht hatte. Der Mond war mit Wolken bedeckt. Ich fühlte, dass ich nicht allein sein konnte, denn ich hörte Geräusche. Diese Geräusche möchte ich als ein unnatürliches Knistern von Zweigen bezeichnen, wie wenn jemand vorsichtig im Unterholz auftritt. Deshalb versteckte ich mich hinter einem Baumstamm.
Kurz darauf hörte ich einen erstickten Schrei und irgendetwas auf die Erde plumpsen. Ich lief in das Gehölz, das sich schräg hinter mir befand. Vorher oder in diesem Augenblick beschien der Mond wieder die Umgebung. Neben einem Gebüsch fand ich …
Про автора
Steffen Mohr wurde am 24. Juli 1942 in Leipzig geboren, wo er auch aufgewachsen und bis heute geblieben ist. Nach dem Abitur studierte er sowohl (katholische) Theologie als auch Theaterwissenschaften, welche er 1966 mit einem Diplom abschloss. Nach seiner Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut kam 1975 ein zweites Diplom hinzu. Davor hatte Mohr unter anderem als Hilfsarbeiter und Hilfsschauspieler, als elektrischer Prüfer und als Redakteur beim „Sächsischen Tageblatt“ sowie als Regieassistent beim Jugendtheater und als Dramaturg beim DDR-Fernsehen (Krimi-Genre), aber auch als Briefträger und Leiter wilder Theatergruppen gearbeitet. Seine erste Kriminalstory hatte Mohr 1966 unter dem Pseudonym „Harald Eger“ in der bekannten „Blaulicht“-Reihe veröffentlicht – „weil mir sonst als Student das Honorar vom Stipendium abgezogen worden wäre“. Weitere Bücher folgten und schließlich 1989 gemeinsam mit dem West-Berliner Autor -ky (Hinter diesem Kürzel verbirgt sich der erfolgreiche Kriminalschriftsteller und Soziologieprofessor Dr. Horst Bosetzky, Jahrgang 1938) der erste und zugleich letzte deutsch-deutsche Krimi „Schau nicht hin, schau nicht her“ – erschienen zwei Monate vor dem Mauerfall. Eine literarische Spezialität des Leipziger Künstlers, der auch als Dozent für kreatives Schreiben tätig ist und der Freien Literaturgesellschaft Leipzig e.V. vorsteht, sind seine Rätselkrimis, die bundesweit in Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 1 Million Exemplaren veröffentlicht werden. Darin lässt Mohr nicht nur den Leipziger Kommissar Gustav Merks ermitteln, sondern vor allem seine kriminalistisch veranlagten Leserinnen und Leser.